Beta-Carotin: Sicherheit

In den Medien wird gelegentlich vor dem Verzehr von angereicherten Getränken oder vor Nahrungsergänzungsmitteln gewarnt, die isoliertes Beta-Carotin enthalten. Der folgende Artikelteil liefert Hintergründe zur Sicherheit von Beta-Carotin und untermauert die Diskussion sachlich mit Zahlen und Fakten.

Karotten

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Die Fakten in Kürze

  • Ausgangspunkt der Diskussion in der 1990er Jahren: Die ATBC und CARET-Studie
    Nach den Ergebnissen von zwei Interventionsstudien, die Mitte der 1990er Jahre publiziert wurden und in denen über mehrere Jahre Beta-Carotin in hohen Dosen (20-30 mg) supplementiert wurde, haben Asbestarbeiter und langjährige starke Raucher (mind. 20 Zigaretten/Tag über mehr als 30 Jahre) ein erhöhtes Lungenkrebsrisiko.
  • Nichtraucher und ehemalige Raucher
    Für Nichtraucher und ehemalige Raucher konnte bis heute in Interventionsstudien mit insgesamt mehreren 10-tausend Teilnehmern kein erhöhtes Lungenkrebsrisiko bei hohen Beta-Carotin-Dosierungen nachgewiesen werden (WHS, HPS, AREDS, REACT, PHS, Su.VI.MAX), auch nicht für Herz-Kreislauf-Erkrankungen (PHS). Dies gilt gleichermaßen für die kombinierte Zufuhr von Beta-Carotin, Vitamin C und E („ACE“).
  • Selbstbeschränkung der im BLL organisierten Wirtschaft
    Vor dem Hintergrund der Ergebnisse aus ATBC und CARET hat sich die Wirtschaft 2001 zu einer Selbstbeschränkung verpflichtet: In Getränken setzt sie nicht mehr als 2 mg isoliertes Beta-Carotin pro 100 ml ein. Nahrungsergänzungsmittel, deren Verzehrsempfehlungen über 4,8 mg isoliertes Beta-Carotin liegt, werden entweder mit einem Hinweis gekennzeichnet, dass dieses Produkt für starke Raucher nicht geeignet ist oder es wird ein Hinweis aufgenommen, dass die Anwendung zeitlich begrenzt erfolgen soll.
  • Selbstverpflichtung: Kein Risiko für Verbraucher, auch nicht für Raucher
    Bei Einhaltung der Obergrenzen für isoliertes Beta-Carotin im Rahmen der Selbstverpflichtung der Wirtschaft besteht für keine Verbrauchergruppe ein Risiko, dies zeigt eine Modellrechnung auf Basis von Verbrauchsdaten des GfK-Handels- und Haushaltspanels.
  • Beta-Carotin ist die sichere Vitamin-A-Quelle
    Beta-Carotin ist in Dosierungen, wie sie in der freiwilligen Selbstverpflichtung niedergelegt sind, die sichere Vitamin A Quelle, denn Beta-Carotin wird vom Körper bedarfsabhängig in Vitamin A umgewandelt.



Ausgangspunkt der Diskussion in den 1990er Jahren: Die Ergebnisse der ATBC- und CARET-Studie

1994 wurde das Ergebnis der ATBC-Studie an fast 30 000 langjährigen starken Gewohnheitsrauchern veröffentlicht. Studienteilnehmer, die 5-8 Jahre täglich 20 mg Beta-Carotin erhielten, hatten eine im Vergleich zu Placebo erhöhte Lungenkrebsinzidenz und -mortalität – allerdings betraf dies nur die Personen, die täglich mindestens 20 Zigaretten rauchten [ATBC study group, 1994; Albanes et al., 1996]. 1996 wurden die Ergebnisse von CARET publiziert. In CARET erhielten ca. 18 300 Raucher und/oder Asbestarbeiter über 5 Jahre täglich Placebo oder 30 mg Beta-Carotin plus 7,5 mg Vitamin A. Die Lungenkrebsinzidenz und -mortalität war erhöht bei aktiven Gewohnheitsrauchern und Asbestarbeitern, nicht jedoch bei ehemaligen Rauchern [Omenn et al., 1996].

Die Ergebnisse von ATBC und CARET führten zu intensiven Diskussionen in Fachkreisen und in den Publikumsmedien. Im Fokus stand die Frage, wie diese Studien zu bewerten und die Ergebnisse zu erklären sind; welche Bedeutung die Ergebnisse für die Allgemeinbevölkerung haben sowie ob und ggf. welche regulatorischen Vorhaben erforderlich sind.

1996: Kein Risiko für Lungenkrebs bei Nichtrauchern und ehemaligen Rauchern durch die Aufnahme von Beta-Carotin

Mit Blick auf die Frage des Einflusses von Beta-Carotin für Nichtraucher und ehemalige Raucher gaben bereits 1996 die Ergebnisse der Physicians’ Health Study (PHS) Hinweise: Sie zeigte, dass für diese Personengruppen kein erhöhtes Risiko für Lungenkrebs besteht. An der PHS nahmen ca. 22. 000 Personen teil – darunter Raucher, Nichtraucher sowie ehemalige Raucher. Nach 12-jähriger Einnahme von 50 mg Beta-Carotin an jedem zweiten Tag war das Lungenkrebsrisiko weder für Nichtraucher noch für ehemalige Raucher noch für aktive Raucher erhöht [Hennekens et al, 1996]. PHS und CARET ergaben somit, dass bei Nichtrauchern bzw. bei ehemaligen Rauchern der Verzehr von Beta-Carotin nicht mit einem erhöhten Lungenkrebsrisiko assoziiert ist.
 

Erkenntnisse in den letzten 10 Jahren bestätigen: Beta-Carotin ist für Nichtraucher sicher

Seit den Veröffentlichungen von ATBCCARET und PHS in den 1990er Jahren sind eine Vielzahl von Studien zu Beta-Carotin durchgeführt und ausgewertet worden. Sie zeigen, dass Beta-Carotin für Nichtraucher sicher ist:

Bei der Women’s Health Study (WHS) wurde in der Studienzeit von 2,1 Jahren sowie in 2 Jahren Nachbeobachtung kein erhöhtes Krebs- bzw. Lungenkrebsrisiko beobachtet. An dieser Studie waren 40 000 Frauen beteiligt, darunter auch 13% Raucherinnen. Sie erhielten jeden zweiten Tag 50 mg Beta-Carotin [Lee et al., 1999].

In mehreren Studien wurde Beta-Carotin nicht allein, sondern zusammen mit Vitamin E und/oder Vitamin C gegeben. Auch in diesen Studien – der Heart Protection Study (HPS, 20.000 Teilnehmer, 20 mg Beta-Carotin) und der Age-Related Eye Disease Study (AREDS, 3.640 Patienten, 15 mg Beta-Carotin) – hatten sich keine Hinweise auf ein erhöhtes Lungenkrebsrisiko ergeben [Heart Protection Study Collaborative Group, 2002; Age-Related Eye Disease Study Research Group, 2001]. In der Heart Protection Study erhielt eine Studiengruppe täglich 20 mg Beta-Carotin plus 600 mg Vitamin E plus 250 mg Vitamin C, eine zweite Gruppe 40 mg Simvastatin, eine dritte Gruppe Antioxidantien plus Simvastatin und schließlich eine vierte Placebo. Die Dauer der Intervention betrug fünf Jahre. In AREDS wurde Placebo oder eine Kombination von 15 mg Beta-Carotin, 400 I.E. Vitamin E, 500 mg Vitamin C, 80 mg Zink und 2 mg Kupfer gegeben. In AREDS wurden über die Studiendauer von durchschnittlich 6,3 Jahren positive Wirkungen der Supplementierung auf den eigentlich untersuchten Parameter, in diesem Falle die altersabhängige Makuladegeneration, festgestellt.

Etwa 13.000 Teilnehmer, darunter 16 % Raucher, ergänzten ihre Ernährung in der französischen Su.VI.MAX-Studie über 7,5 Jahre mit 6 mg Beta-Carotin und anderen antioxidativen Vitaminen und Mineralstoffen. Bei Männern war das Krebsrisiko gegenüber Placebo sogar um 31% vermindert, dies betraf vor allem Tumore der Atemwege und des Verdauungstraktes [Hercberg et al., 2004].

Eine Studie mit hochdosiertem Beta-Carotin (50 mg/d), das über mehrere Jahre verzehrt wurde (Median 50 Monate), stellte selbst bei Rauchern einen antioxidativen Effekt fest, während prooxidative Effekte nicht nachgewiesen werden konnten [Mayne et al., 2004].

In ATBC und CARET wurden die Studienteilnehmer auch nach Ende der eigentlichen Interventionsphase weiter beobachtet (Follow up). In ATBC bestand bezüglich des Lungenkrebsrisikos sechs Jahre nach Ende der Intervention kein Unterschied mehr zwischen den Gruppen, die Placebo bzw. Beta-Carotin erhalten hatten [ATBC study group, 2003]. In CARET war es nach ebenfalls sechs Jahren Nachbeobachtung zwar noch erhöht; der Unterschied gegenüber Placebo war allerdings nicht mehr statistisch signifikant [Goodman et al., 2004].

Die Mechanismen, die dem erhöhten Lungenkrebsrisiko bei Risikogruppen wie starken Rauchern zugrunde liegen, wurden vor allem an der Tufts University in Boston, USA, in einem hierfür geeigneten Tiermodell (Frettchen) untersucht. Demnach entwickeln so genannte „rauchende“ Frettchen bei Gabe von Beta-Carotin in supraphysiologischen Dosierungen (entsprechend 30 mg Beta-Carotin/Tag beim Menschen mit 70 kg Körpergewicht) Vorstufen zu Lungenkrebs über eine Kaskade von zellulären Prozessen. Diese werden durch hohe Gewebekonzentrationen von Beta-Carotin initiiert in Verbindung mit den oxidativen und entzündlichen Prozessen in der Lunge, diedurch das Rauchen verursacht werden [Lui et al., 2000]. Dies würde die Ergebnisse von ATBC und CARET erklären. Ähnliche – allerdings weniger deutliche Veränderungen – wurden auch bei supraphysiologischen Dosierungen von Beta-Carotin in Abwesenheit von Zigarettenrauch beobachtet [Lui et al., 2000]. Am Menschen wurden allerdings keine entsprechenden Effekte nachgewiesen, wie die Ergebnisse insbesondere der Physicians’ Health Study und der Women’s Health Study zeigen. Physiologische Dosen (entsprechend 6 mg/Tag beim Menschen [Liu et al., 2000]), ebenso wie die Gabe von Beta-Carotin in Kombination mit Vitamin E und Vitamin C [Kim et al., 2006], schützen die Tiere dagegen vor der Entstehung solcher Krebsvorstufen bzw. Lungentumoren. Die eingesetzten „ACE“-Kombinationen entsprechen 30 bzw. 12 mg Beta-Carotin, 100 I.E. Vitamin E sowie 210 mg Vitamin C/Tag bei einem Menschen mit 70 kg Körpergewicht [Kim et al., 2006]. Relevant sind diese Erkenntnisse v. a. vor dem Hintergrund, dass in angereicherten Lebensmitteln und Nahrungsergänzungsmitteln Beta-Carotin üblicherweise nicht allein, sondern in Kombination mit den Vitaminen E und C eingesetzt wird.
 

Raucher haben ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen – unabhängig von der Beta-Carotin-Einnahme

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat mit Pressemeldung im Nr. 5 2001 darauf hingewiesen, dass die Aufnahme von 20 mg Beta-Carotin auch bei Personen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu Gesundheitsschäden führen kann [BfR, 2001]. Verschiedene Medien hatten diesen Zusammenhang aufgegriffen. Diese Beziehung ist für die Allgemeinbevölkerung allerdings nicht haltbar. Richtig ist – wie das BfR in gleicher Meldung ausführt – dass „bei starken Rauchern unter der Gabe von isoliertem Beta-Carotin sowohl ein Anstieg der Lungenkrebsrate als auch ein Anstieg der Zahl der Todesfälle bei bereits bestehenden Herz-, Kreislauferkrankungen beobachtet“ wurde [BgVV, 2001, Hervorhebungen nicht im Original]. Ein Zusammenhang zwischen der Aufnahme von Beta-Carotin bei Nichtrauchern mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Gesundheitsgefahren kann aus den vorliegenden Studien nicht hergestellt werden.

Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf eine Meta-Analyse von Egger et al., 1998. Darin wird zwar erwähnt, dass eine Beta-Carotin Supplementierung mit einem erhöhten Risiko für kardiovaskuläre Todesfälle in Zusammenhang steht. Im Zentrum dieser Veröffentlichung stehen allerdings methodologische Aspekte von Meta-Analysen im Allgemeinen. Exemplarisch wird die erwähnte Meta-Analyse zur Beziehung von Beta-Carotin und Herz-Kreislauf-Erkrankungen durchgeführt. Betrachtet werden die Interventionsstudien ATBC, CARET, PHS sowie die Skin Cancer Prevention Study von Greenberg et al., 1996. Insgesamt sind in der Meta-Analyse dieser vier Studien 60% aktive Raucher und 23 % ehemalige Raucher zusammengefasst. Unberücksichtigt bleibt in dieser Analyse allerdings, dass Raucher per se ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislaufkrankheiten haben. Eine statistische Analyse auf die Störfaktoren hin (hier „Rauchen“), ist nicht erfolgt. Die Vermutung liegt nahe, dass das Ergebnis der Meta-Analyse durch die Raucher dominiert und daher für Nichtraucher nicht relevant ist. Diese Einschätzung wird durch die auf Seite 2 genannte PHS bestätigt: Hier wurde das Risiko für Herz-Kreislaufkrankheiten separat für Raucher und Nichtraucher berechnet – das Risiko für Nichtraucher war auch bei der Zufuhr von Beta-Carotin nicht erhöht [Hennekens et al, 1996].

Hingewiesen sei auch auf eine weitere Meta-Analyse von Vivekananthan et al., 2003, in der der Zusammenhang zwischen antioxidativen Vitaminen und dem Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen untersucht wurde. In die Auswertung zu Beta-Carotin wurden acht große Interventionsstudien einbezogen (ATBC, CARET, PHS, AREDS, HPS, WHS, die Skin Cancer Prevention Study sowie der The Nambour Skin Cancer Prevention Trial von Green et al, 1999). Untersucht wurde der Zusammenhang zwischen einer Beta-Carotin Supplementierung und der allgemeinen Sterblichkeit, kardiovaskulären Todesfällen und zerebrovaskulären Ereignissen (z. B. Schlaganfall). Insgesamt war in den Beta-Carotin-Gruppen das Risiko für die allgemeine Sterblichkeit sowie für kardiovaskuläre Todesfälle leicht (aber nicht signifikant) erhöht, nicht jedoch das Risiko für Schlaganfälle. Auch in der Analyse von Vivekananthan wurde jedoch nicht auf Störfaktoren (wie z.B. Rauchen) analysiert. Wie bei Egger et al. sind auch hier die Ergebnisse für die allgemeine Sterblichkeit sowie für kardiovaskuläre Todesfälle mit großer Wahrscheinlichkeit durch die große Zahl der Raucher in den einbezogenen Studien entstanden und daher auf Nichtraucher nicht ohne Weiteres übertragbar.

 

Stellungnahme zur Supplementierung mit Beta-Carotin mit freiwilliger Selbstbeschränkung der Industrie

In Reaktion auf ATBC und CARET empfahl das ehemalige Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BgVV) im Januar 1998 Rauchern, auf Beta-Carotinhaltige Präparate zu verzichten [BgVV, 1998]. Im Oktober 2000 widerrief der ehemalige Wissenschaftliche Lebensmittelausschuss der Europäischen Kommission (SCF) zwar seinen ADI-Wert (Acceptable daily intakeii) von 5 mg/kg Körpergewicht, er stellte jedoch auch fest, dass es keine Hinweise dafür gebe, dass die derzeitige Aufnahme in Europa von 1-2 mg isoliertem Beta-Carotin aus Zusatzstoffen schädlich sei [SCF, 2000a]. Einen neuen UL (Tolerable Upper Intake Leveliii) legte er wegen nicht ausreichender Daten zur Dosis-Wirkungs-Beziehung nicht fest [SCF 2000b]. Im Januar 2001 forderte das ehemalige BgVV Lebensmittelhersteller auf, auf die Verwendung von isoliertem Beta-Carotin in vitaminisierten Lebensmitteln zu verzichten [BgVV, 2001]. Im Juni 2001 verständigten sich die Mitglieder des Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL) auf eine freiwillige Selbstbeschränkung für Beta-Carotin [BLL, 2001]:

Beta-Carotin: Freiwillige Selbstbeschränkung der Wirtschaft (2001)

Vor dem Hintergrund der Ergebnisse aus ATBC und CARET hat sich die Wirtschaft 2001 zu einer Selbstbeschränkung verpflichtet:

Mehr lesen über Beta-Carotin: Freiwillige Selbstbeschränkung der Wirtschaft (2001)

Im Juni 2002 legte das Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (BMVEL) einen Entwurf für eine Verordnung zur Änderung der Verordnung über vitaminisierte Lebensmittel vor: Lebensmitteln sollen nicht mehr als 2 mg Beta-Carotin in isolierter Form in 100 g oder 100 ml des Lebensmittels zu ernährungsphysiologischen Zwecken zugesetzt werden. Lebensmittel, die mit einer Verzehrsempfehlung (z.B. eine Kapsel täglich, 1 Glas Saft/Tag) angeboten werden, sollen 2 mg bezogen auf die empfohlene Tagesdosis nicht überschreiten. Die Wirtschaft hat in diesem Zusammenhang Daten über die Zufuhr von isoliertem Beta-Carotin beigebracht. Das Verfahren ist hierauf hin vorläufig nicht abgeschlossen worden. Für Arzneimittel, die Beta-Carotin enthalten, hat das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) im Juni 2003 ein Stufenplanverfahren eingeleitet, das im Januar 2006 abgeschlossen wurde [BfArM, 2003; BfArM 2006]: Überschreitet die empfohlene tägliche maximale Einnahme 20 mg Beta-Carotin bei Arzneimitteln, sollen starke Raucher (d.h. Personen, die mehr als 20 oder mehr Zigaretten pro Tag rauchen) auf das Medikament verzichten („Gegenanzeige“). Bei Arzneimitteln, die zwischen 2 und 20 mg Beta-Carotin/ empfohlene Tagesdosis enthalten, ist auf dem Beipackzettel im Abschnitt „Warnhinweise und Vorsichtsmaßnahmen bei der Anwendung“ eine Ergänzung anzubringen, dass das Arzneimittel von starken Rauchern mit einem Konsum von 20 oder mehr Zigaretten/Tag) nicht über einen längeren Zeitraum regelmäßig eingenommen werden soll.

Höchstmengen für Beta-Carotin sind nun europaweit im Zuge der Festsetzung von Höchst- und Mindestmengen für Nahrungsergänzungsmittel und angereicherte Lebensmittel zu erwarten. Die Diskussionen hierzu haben mit Veröffentlichung eines Diskussionspapiers der Europäischen Kommission im Juni 2006 begonnen [Europäische Kommission, 2006].

Wieviel isoliertes Beta-Carotin nehmen Verbraucher in Deutschland aus angereicherten Lebensmitteln auf?

Die weitaus bedeutendsten Lebensmittel für die Anreicherung mit Beta-Carotin sind Getränke. Vor diesem Hintergrund haben der Verband der deutschen Fruchtsaft-Industrie e. V. (VdF), der Verband Deutscher Mineralbrunnen e. V. (VDM), die Wirtschaftsvereinigung Alkoholfreie Getränke e.V. (wafg) und einige Rohwarenhersteller im Jahr 2004 Daten auf Basis des GfK-Handels- sowie des Haushaltspanels auf diese Fragestellung hin ausgewertet.

Zugrunde gelegt wurde dabei ein „Worst-Case-Szenerio“: Erstens wurde unterstellt, dass die gekauften Getränke zu 100% auch selbst – und nicht durch weitere Haushaltsmitglieder – getrunken wurden. Zweitens wurde angenommen, dass der denkbar höchst mögliche Anteil von 5,2% des Marktes für alkoholfreie Getränke tatsächlich mit Beta-Carotin angereichert wurde und drittens dass der Maximalwert von 2 mg/100 ml bei jedem Getränk ausgeschöpft wurde.

Ergebnis war: 98,4% der Bevölkerung nahmen weniger als 2mg isoliertes Beta-Carotin/Tag aus Getränken auf, 1,37 % (1,13 Mio.) zwischen 2mg – 3,5 mg. Die höchste mittlere Aufnahme von isoliertem Beta-Carotin aus Getränken beträgt in der Gruppe der Haushalte der „Heavy User“ 3,5 mg/Tag – jeweils vorausgesetzt, dass das „Worst-Case-Szenario“ zutrifft.

Diese Modellrechnung auf Basis von Marktdaten zeigt, dass die errechneten Aufnahmemengen selbst für starke Raucher gesundheitlich nicht relevant wären. Die Selbstverpflichtung der Wirtschaft ist deshalb ausreichend, um auch die Risikogruppe der starken Raucher vor einer hohen Aufnahme zu großer Mengen Beta-Carotin zu schützen [AFG-V, 2004].

Wie hoch ist die Aufnahme von Beta-Carotin aus Nahrungsergänzungsmitteln?

Repräsentative Daten zur Aufnahme von Nährstoffen aus Nahrungsergänzungsmitteln sind im Rahmen des 1998 durchgeführten Bundesgesundheitssurveys des Robert-Koch-Instituts erhoben worden. In dieser bundesweiten Studie nahm etwa jeder Zehnte täglich/ fast täglich ein Supplement auf – dies entsprach 484 Personen in der Stichprobe. 45 Personen hiervon – also 1,1% der Befragten – verzehrten täglich ein Supplement, das auch Beta-Carotin enthielt. Der Median der in dieser Personengruppe resultierenden Aufnahme aus Nahrungsergänzungsmitteln (und möglicherweise auch erfassten frei verkäuflichen Arzneimitteln) betrug 1,6 mg Beta-Carotin/ Tag; die 10. Perzentile betrug 0,2 mg, die 90. Perzentile 15 mg/Tag [Beitz et al., 2004]. Ob es sich bei dem kleinen Teil der Befragten, der höhere Mengen verzehrte, um Raucher handelt, ist in der Veröffentlichung nicht abgeschätzt worden. Hinzuweisen ist allerdings auf die o. g. Selbstverpflichtung der Wirtschaft aus dem Jahr 2001, Nahrungsergänzungsmittel mit einem Gehalt über 4,8 mg mit einem Hinweis für Raucher zu kennzeichnen.

Die o. g. Veröffentlichung ging weiter der Frage nach, ob die Thematik der Mehrfachaufnahme von Relevanz ist. Mit Bezug auf Beta-Carotin wurde festgestellt, dass 4 Personen in der Stichprobe, d.h. 0,06 % der Bevölkerung täglich mehrere Supplemente aufnehmen, die allesamt Beta-Carotin enthalten. Die hieraus aufgenommen Mengen sind jedoch – auch für Raucher – unbedenklich (Median: 3,4 mg; 10. Perzentile: 2,2 mg; 90. Perzentile: 3,4 mg) [Beitz et al, 2004]. Die Veröffentlichung zeigt im Übrigen, dass die Bedeutung der Mehrfachaufnahme von Nährstoffen aus Nahrungsergänzungsmitteln überschätzt wird.
 

Bezieht sich die in der Nährwertdeklaration angegebene Menge nur auf isoliertes Beta-Carotin?

Bei angereicherten Lebensmitteln, die Beta-Carotin ausloben, ist lt. Nährwertkennzeichnungs-Verordnung der Gesamtgehalt an enthaltenem Beta-Carotin (gleich welcher Quelle) anzugeben. Wird einem Orangen-Karotten-Saft beispielsweise Beta-Carotin zu ernährungsphysiologischen Zwecken zugesetzt, so ist der natürlicherweise enthaltene Gehalt an Beta-Carotin und die zu ernährungsphysiologischen Zwecken zugesetzte Menge zusammenzurechnen und auf dem Etikett anzugeben. Überschreitet dieser Wert 2mg/100 ml, bedeutet dies also nicht zwangsläufig einen Verstoß gegen die Selbstbeschränkung der Industrie: Denn diese bezieht sich – wie auch der Regelungsvorschlag des BMVEL – nur auf das zugesetzte isolierte Beta-Carotin.
 

Wie sollten Verbraucher sich verhalten?

Nachteilige Wirkungen einer hoch dosierten Supplementierung mit Beta-Carotin sind nur bei langjährigen starken Rauchern (mind. 20 Zigaretten/Tag über mehr als 30 Jahre) und Asbestarbeitern nachgewiesen. Ein erhöhtes Lungenkrebsrisiko konnte für Nichtraucher und ehemalige Raucher nicht nachgewiesen werden, auch nicht für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Dies gilt sowohl für die Gabe von hohen Dosierungen von Beta-Carotin als auch für die kombinierte Gabe von Beta-Carotin, Vitamin E und C bei hohen Dosierungen. Bei der Therapie einer Erbkrankheit („erythropoetische Protoporphyrie“), die mit einer schmerzhaften Überempfindlichkeit der Haut gegenüber Sonnenlicht einhergeht, wird seit Jahrzehnten Beta-Carotin in Dosierungen von bis zu 180 mg/Tag eingesetzt, ohne das von Nebenwirkungen berichtet wurde – abgesehen von einer gelblichen Verfärbung der Haut, die nach Absetzen von Beta-Carotin wieder verschwindet.

Starke Raucher sollten bei Nahrungsergänzungsmitteln auf die Dosierung achten und hochdosierte Präparate meiden bzw. sie nicht täglich über einen längeren Zeitraum verwenden.

Bei Kindern und Erwachsenen sollte auf eine bedarfsgerechte Zufuhr an Beta-Carotin und Vitamin A geachtet werden. Gerade bei Schwangeren und Stillenden, die tierische Lebensmittel meiden, kann Beta-Carotin aus Nahrungsergänzungsmitteln bzw. angereicherten Lebensmitteln eine wertvolle Quelle für Vitamin A darstellen: Beta-Carotin wird vom Körper bedarfsabhängig in Vitamin A umgewandelt. So können schädliche Wirkungen von zu hohen Dosen Vitamin A (z. B. aus Leber) verhindert werden. Diese treten bei Gabe von isoliertem Beta-Carotin auch bei hohen Dosierungen nicht auf, da die Umwandlung von Beta-Carotin zu Vitamin A im Körper streng kontrolliert ist.
 

Quellen

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Stand:

23.06.2006

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