Pressemitteilung

BLL Stellungnahme zu neuen Vorschlägen im EU-Hygienerecht

Bonn, - Die Europäische Kommission hat in der letzten Woche in Fortsetzung ihrer Aktivitäten zur Zusammenführung und Vereinfachung des gemeinschaftlichen Lebensmittelhygienerechtes ein Gesamtpaket mit vier EU-Verordnungsvorschlägen und einer entsprechenden Aufhebungsrichtlinie dem Rat zugeleitet.

Kommissar Byrne hat diese Vorschläge am 17.7.2000 der Presse als „strategisch wichtiges Ziel um mehr Lebensmittelsicherheit insgesamt garantieren zu können“, vorgestellt.

Nachfolgend legt der BLL eine erste Bewertung und Besorgnisse aus der Sicht der Wirtschaft dar. Grundsätzlich begrüßt die nationale Lebensmittelwirtschaft, dass die Kommission zeitnah ihrem Aktionsplan im Sinne des „Weißbuches zur Lebensmittelsicherheit“ nachkommt und das Projekt zur Umgestaltung des Hygienerechtes mit Priorität weiterbetreibt. Da aber zuletzt im Mai 1999 bzw. Juli 1999 bereits umfassende Vorschläge der damaligen GD III und GD IV als Arbeitspapiere der Kommission zur Diskussion gestellt wurden, ist das „neue“ Gesamtkonzept der Kommission nicht wesentlich überraschend. Es betrifft vor allem die Ausdehnung der allgemeinen Hygieneverpflichtungen auf die Urproduktion und Basisregelungen für diese Bereiche sowie die Integration und Vereinfachung des produktspezifischen Hygienerechts. Dieses „Vom Hof zur Ladentheke“-Konzept ist also bereits seit zwei Jahren in Diskussion im Konsens mit den Wirtschaftskreisen. Auch teilen wir nicht die in der Pressemitteilung dargestellte Auffassung der jetzt federführenden Generaldirektion „Gesundheit und Verbraucherschutz“ (GD SANCO), dass diese Vorschläge den entscheidend „neuen“ Beitrag zur Gewährleistung der Lebensmittelsicherheit darstellen. Lebensmittelsicherheit wird gestern und heute von den Anwendern auf Basis des bestehenden allgemeinen Hygiene-Rechts, das bereits Elemente wie Eigenkontrollen nach HACCP-Grundsätzen u.a. enthält, auf höchstem Niveau gewährleistet. Auch bei den „Verantwortlichkeiten“ für die Sicherheit in der Lebensmittelverarbeitungs- und -distributionskette ergeben sich durch die neuen Vorschläge keine erkennbaren Verschiebungen: Jede Wirtschaftstufe trägt entsprechend ihren tatsächlichen Einwirkungsmöglichkeiten eine eigene Verantwortung für die Sicherheit der Lebensmittel. Das ist im Gemeinschaftsrecht bereits seit der Richtlinie 93/43/EWG über Lebensmittelhygiene verankert und damit „praktizierte Stufenverantwortung“.

Das Hauptanliegen der Reform ist eindeutig die Vereinfachung und übersichtliche Gestaltung des Hygienerechts. Die Kommission schafft in systematischer Arbeit einen neuen Rechtsrahmen und vor allem Rechtskonsistenz, d.h. dass alle Lebensmittelunternehmen in den unterschiedlichen Branchen nach gleichlautenden Eigenkontroll-Grundsätzen arbeiten werden und nicht mehr nach Größe, nach allgemeinem, nach Fleisch- oder Milchrecht differenziert werden soll.

Positiv zu bewerten ist deshalb aus der Sicht des BLL, dass die neuen Vorschläge eine deutliche Reduzierung der Detailregelungen und eine Harmonisierung der spezialrechtlichen Hygienevorschriften aufweisen. Die neuen Verordnungen greifen schlüssig ineinander und ergänzen sich; insbesondere gilt dies für die „Verordnung über Lebensmittelhygiene“ und die „Verordnung mit spezifischen Hygienevorschriften für Lebensmittel tierischen Ursprungs“. Inwieweit die Änderungen im einzelnen im Sinne aller betroffenen Branchen sind, muss vertieft geprüft und diskutiert werden. Als Konsequenz werden sich jedoch einige umstellen und von etablierten Verfahren verabschieden müssen sowohl auf Wirtschafts- wie auf Überwachungsseite.

Kernstück der neuen Vorschläge ist u. E. die „Verordnung über Lebensmittelhygiene“, als neue Basisregelung der Hygiene für alle Betriebe vom Bauernhof bis zum Ladengeschäft. Neben den positiven Aspekten im neuen Vorschlag, wie der z. B. Erhalt des auf Mitverantwortung der Wirtschaft setzenden „Leitlinien-Konzeptes“, sind jedoch darin neue Elemente und Pflichten enthalten, die die Lebensmittelwirtschaft in größte Besorgnis versetzen:Es werden u. a. allgemeine Betriebsregistrierungspflichten und Kenntlichmachungspflichten für Produkte vorgeschlagen sowie Dokumentationsverpflichtungen über Zuliefererbetriebe. Dies bedeutet, dass zukünftig alle in Verkehr gebrachten Lebensmittel mit Ausnahmen für den Einzelhandel (und den Verpflegungsbereich) mit einer betriebsspezifischen Registriernummer versehen werden müssten. Ungeachtet konkreter Ausführungen hierzu seitens der Kommission, ist hierdurch ein enormer und unangemessener Aufwand zu befürchten. Dass diese Maßnahmen laut Kommission aus Gründen der Produktrückverfolgbarkeit und Herkunftssicherung geschehen sollen, ist angesichts der bestehenden Produktkennzeichnungsvorschriften, aus denen zumindest der verantwortliche Inverkehrbringer hervorgeht, sowie der obligatorischen Loskennzeichnung nicht nachvollziehbar. Auch die Verpflichtung zur Auflistung aller rohstoff- und zutatenliefernden Betriebe greift erheblich in die Eigenverantwortung und Betriebsführung der Lebensmittelunternehmen ein. Für kleine Lebensmittelunternehmen ergeben sich daraus bürokratische Lasten, die mit der Zielsetzung des gesundheitlichen Verbraucherschutzes nicht gerechtfertigt sind.

Wir haben jedoch alle einzelnen Aspekte wirtschaftsintern zu diskutieren und werden uns danach für die Beratungen auf Ratsebene gegenüber Bundesregierung und -ländern detailliert äußern. Eine abschließende Bewertung ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht möglich.

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