Stellungnahme der BVE

Irreführender Faktencheck der DANK zur Kampagne #liebermündig

- Am 11. April hat die DANK eine Pressemeldung veröffentlicht, in der sie die Kampagne #liebermündig der BVE kritisiert und als "irreführend auf allen Ebenen" bezeichnet. Dazu möchte die BVE nun Stellung beziehen.
Kind spielt mit Pappkarton-TV und Megafon.
© Sunny studio - stock.adobe.com
Bildunterschrift anzeigen

Die Deutsche Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK) bezeichnet die Kampagne #liebermündig (www.lieber-mündig.de) der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) als „irreführend auf allen Ebenen“ und unterstellt, dass die Lebensmittelindustrie die Übergewichtsproblematik bei Kindern und Jugendlichen „bagatellisieren“ würde. Diese haltlosen Behauptungen sind schlicht unwahr und zeigen, dass die DANK die wissenschaftlich belegbaren Argumente der BVE und des Lebensmittelverbands bewusst falsch interpretieren will.

Mit Nachdruck möchten wir klarstellen, dass die BVE diese Kampagne ins Leben gerufen hat, weil wir als Spitzenverbände der Lebensmittelwirtschaft aufzeigen wollen, dass es um weit mehr als „Kinderschutz in der Werbung“ geht. Die Lebensmittelbranche ist sich ihrer Verantwortung bewusst, weshalbes bereits umfassende Regelungen gegenüber Kindern gibt, die erst vor zwei Jahren auf die Altersgrenze 14 Jahre (vorher 12 Jahre) angehoben wurden.

Auch wir sind FÜR „Kinderschutz in der Werbung“. Der aktuelle Gesetzesentwurf erfüllt dieses Ziel unserer Auffassung nach nicht, weil Lebensmittel betroffen sind, die sich weder speziell an Kinder richten noch speziell von Kindern verzehrt werden. Und einen solchen Entwurf zu erstellen, obwohl – wie die DANK selbst schreibt „noch keine belastbaren Untersuchungen auf die Entwicklung von kindlichem Übergewicht existieren“ – es also nur eine schwache wissenschaftliche Evidenz gibt, ist politisch fragwürdig und nicht verhältnismäßig. Es muss Aufgabe der Politik sein, vor Einführung eines Gesetzes Folgenabschätzungen vorzunehmen.

Wir bagatellisieren auch nicht die Übergewichtsproblematik, sondern haben schon mehr als einmal darauf hingewiesen, dass diese eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist und an vielen wirksamen Stellschrauben gedreht werden muss. Dazu gehört nun mal auch die Förderung von mehr Bewegung. Das hat nichts mit „shifting the blame“ zu tun, wie die DANK suggeriert. Wir behaupten ja schließlich nicht, dass NUR die körperliche Aktivität im Mittelpunkt stehen sollte, sondern wir sagen auch, dass wir als Lebensmittelwirtschaft unseren Teil dazu beitragen, indem wir das Produktangebot hinsichtlich der Nährstoffzusammensetzung stets optimieren – sofern dies technologisch und geschmacklich möglich ist – und eine vielfältige Auswahl zur Verfügung stellen.

Im Folgenden nehmen wir zu einzelnen Punkten aus dem „Faktencheck“ der DANK Stellung:

Wirksamkeit von Werbeverboten:

Wir behaupten nicht, dass Werbung nicht wirkt. Wir sagen, dass Werbeverbote nicht die Auswirkungen haben, die ihnen zugeschrieben werden, nämlich die Übergewichtsentwicklung bei Kindern und Jugendlichen zu beeinflussen. Zwar heißt es in dem Policy Brief der Weltgesundheitsorganisation (WHO) mit UNICEF: "Es gibt eindeutige Beweise dafür, dass die Vermarktung von Lebensmitteln, der Kinder ausgesetzt sind, ihre Vorlieben, ihre Wahl, ihre Einkäufe und ihren Verzehr von Lebensmitteln verändert". Die WHO stellt aber auch in ihrer systematischen Übersichtsarbeit (Review)1 fest, dass „Studien zum Lebensmittelkonsum in der Regel die unmittelbare oder kurzfristige Aufnahme (direkt nach der Exposition gegenüber dem Marketingreiz) messen, anstatt die Ernährung über den Tag oder längerfristig zu bewerten". Das bedeutet, dass es, ungeachtet der methodischen Einschränkungen, keine Beweise dafür gibt, dass Werbung zu einem nachhaltigen Anstieg der Nahrungs-/Energieaufnahme und einer daraus folgenden Gewichtszunahme führt.

Das Beispiel Chile wird immer wieder gerne genannt, weil dort ein Maßnahmenpaket eingeführt worden ist, wie z. B. „umfassende Werbebeschränkungen für ungesunde Lebensmittel“. Das Gesetz ist 2016 in Kraft getreten. Jährlich werden anthropometrische Daten von einer zuständigen Behörde des Bildungsministeriums erhoben. Diese Studie ist zwar nicht repräsentativ, umfasst aber die große Mehrheit aller Kinder (rund 90 Prozent).2 Die Daten der letzten fünf Jahre zeigen, dass die Übergewichtsrate nicht stagniert, sondern sogar weiter gestiegen ist.3

Und an dieser Stelle nochmal der Hinweis: Das Max Rubner-Institut (MRI) hat geplante und bestehende nationale Werberegulierungsmaßnahmen in 17 europäischen Ländern sowie entsprechende Evaluations- und Wirksamkeitsstudien analysiert. Das Fazit: Im Rahmen der Recherche konnten keine belastbaren Wirksamkeitsstudien identifiziert werden.4

Vergleich der Übergewichtsraten in Großbritannien und Deutschland

Die DANK hat hier insofern mit ihrer Kritik recht, als dass sich die Übergewichtszahlen aus Großbritannien und Deutschland aufgrund unterschiedlicher Messmethoden und unterschiedlicher Altersgruppen nicht direkt miteinander vergleichen lassen. Wir haben uns auf unserer Website missverständlich ausgedrückt und diesen Fehler behoben. Nichtsdestotrotz, und das ist das Entscheidende, zeigen aber die Zahlen aus UK, dass Übergewicht und Adipositas dort trotz umfangreicher Maßnahmen, u. a. Werbebeschränkungen, nicht zurückgegangen sind. Die Übergewichtsentwicklung bei Kindern ist seit 2006 gleichgeblieben und ist dann 2020 angestiegen. Mittlerweile ist sie wieder leicht gesunken auf das Niveau von 2006 und liegt zwischen 22 und 23 Prozent bei den 4- bis 5-Jährigen und bei knapp 38 Prozent bei den 10 bis 11-Jährigen.5

Auswirkungen der Werbeverbote auf die TV-Einnahmen:

Die DANK stellt hier eine fehlerhafte Rechnung auf und kommt deshalb zu dem falschen Schluss, die durch die Einführung des Kinderlebensmittel-Werbegesetzes (KWG) wegfallenden Einnahmen für TV-Sender würden sich auf nur vier Prozent belaufen. Tatsächlich würde das KWG zu einem Rückgang der TV-Werbung um rund 13 Prozent führen, wenn die Pläne zum Lebensmittelwerbeverbot Realität würden. Das BMEL-Verbotsszenario betrifft die gesamte Lebensmittelwerbung, zu der neben der Ernährung – nur diese Nielsen-Daten hat DANK fälschlicherweise genommen – auch (alkoholfreie) Getränke und die Systemgastronomie zählen, d. h. es geht um rund 2,17 Mrd. Euro Lebensmittelwerbung im TV.

  • 3,39 Mrd. Euro Lebensmittelwerbung gesamt – in den vom KWG betroffenen Medien TV, Radio, Zeitungen, Publikumszeitschriften, Out of Home (Plakat, Transport Media, Ambient Media und At-Retail Media), Online-Werbung  –  also ohne Kino und Direct Mail; abzüglich 80 Prozent = 2,17 Mrd. Euro
  • Aktueller Anteil Lebensmittelwerbung an TV uneingeschränkt 15,8 Prozent
  • Anteil Lebensmittelwerbung an TV bei 80-prozentigem Abzug: 3,2 Prozent

Produktbeispiele:

Die DANK lastet uns an, dass wir bei der Beurteilung der Produkte auf die WHO-Nährwertprofile von 2015 zurückgegriffen haben und nicht die aktuellen WHO-Nährwertprofile von Februar 2023 berücksichtigen. Selbstverständlich kennen wir die neuen Profile und die marginalen Unterschiede. Allerdings bezieht sich der Gesetzesentwurf des „Kinderlebensmittel-Werbegesetz“ auf die Nährwertprofile von 2015 – was die DANK leider verschweigt – und deshalb beziehen auch wir uns auf 2015, da wir von den möglichen Auswirkungen genau dieses Gesetzentwurfs ausgehen. Bei unseren Produktbeispielen haben wir mit den Nährwertangaben des Bundeslebensmittelschlüssels – einer wissenschaftlich anerkannten Nährwertdatenbank des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) – gearbeitet, d. h. wir beziehen uns beispielhaft auf die Durchschnittswerte dieser Lebensmittel. Dass es innerhalb der Kategorien Abweichungen der Nährwerte nach oben oder unten gibt, ist selbstverständlich und in der wunderbaren Lebensmittelvielfalt begründet, die wir hierzulande zu bieten haben. Und glücklicherweise kann jeder Verbraucher anhand der Nährwerttabelle ablesen, wie viel Zucker, Salz und Fett nun genau enthalten sind. Die Darstellung auf der Website ist also keine Irreführung, sondern eine Veranschaulichung, um zu verdeutlichen, dass wir hier nicht von einem „Süßwaren- und Junkfood-Werbeverbot“ sprechen, wie es leider immer noch medial und vor allem auch von NGOs gerne verbreitet wird.


Boyland E, McGale L, Maden M, Hounsome J, Boland A, Angus K, Jones A. Association of Food and Nonalcoholic Beverage Marketing With Children and Adolescents' Eating Behaviors and Health: A Systematic Review and Meta-analysis. JAMA Pediatr. 2022 Jul 1;176(7):e221037.
2 Cuenta Pública Participativa 2021, MINEDUC. https://www.comunidadescolar.cl/wp-content/uploads/2021/05/cuenta-publica-2021.pdf
3 JUNAEB (2022). Informe Mapa Nutricional 2021. Chile: Lira, Mariana. https://www.junaeb.cl/wp-content/uploads/2022/10/INFORME-MAPA-NUTRICIONAL-2021_FINAL.pdf
4 Werner, Lea et al. (2022): Kinderrelevante Maßnahmen zur Regulierung von Werbung für Lebensmittel und Getränke mit hohen Fett-, Zucker- und Salzgehalten in ausgewählten europäischen Staaten. In: Abstractband zum 59. Wissenschaftlichen Kongress: Der Kopf isst mit - Zusammenspiel von Ernährung und Gehirn. (= Proceedings of the German Nutrition Society). Online unter: https://www.openagrar.de/receive/openagrar_mods_00078172.
5 Patterns and trends in child obesity, online unter: https://fingertips.phe.org.uk/profile/national-child-measurement-programme/data#page/13/ (abgerufen am 14.4.2023)