Interview zum Welt-Osteoporosetag mit Prof. Martin Smollich

„Aufs Knochenkonto einzahlen – am besten schon in jungen Jahren“

- Osteoporose ist eine chronische Erkrankung, die Knochen porös und brüchig macht aufgrund eines gestörten Knochenstoffwechsel. Anlässlich des Welt-Osteoporosetag am 20. Oktober haben wir mit Ernährungswissenschaftler Prof. Dr. Martin Smollich über die richtige Ernährung für starke Knochen gesprochen.

illustrated picture of a human skeleton

© Envato/andrewtimothy
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Was genau ist Osteoporose?
Osteoporose ist eine chronische Erkrankung des Skeletts. Sie entwickelt sich über Jahre oder Jahrzehnte und führt dazu, dass die Knochenmasse und -qualität abnehmen. Der Knochen wird poröser und brüchiger, was im Alltag zu Kochenbrüchen führen kann – etwa an Wirbeln, am Oberschenkelhals oder am Unterarm. Diese Brüche beeinträchtigen nicht nur die Mobilität, sondern auch die Lebensqualität erheblich.

Wie kann man einer Osteoporose vorbeugen?
Ganz wesentlich ist, frühzeitig an die Knochengesundheit zu denken – am besten schon in jungen Jahren. Denn der Knochenaufbau ist spätestens mit 30 Jahren abgeschlossen. Was man bis dahin nicht „eingezahlt“ hat, steht später beim natürlichen Knochenabbau nicht mehr zur Verfügung. Neben genetischen und hormonellen Einflüssen sind der Lebensstil, Bewegung und vor allem die Ernährung entscheidend. Sie liefert die Baustoffe, die der Körper für stabile Knochen braucht.

Welche Nährstoffe sind dabei besonders wichtig?
Calcium und Vitamin D bilden das zentrale Duo für den Knochenaufbau – Calcium als Baustein, Vitamin D als Regulator der Aufnahme. Aber auch andere Mikronährstoffe wie Magnesium, Vitamin K, Phosphor, Zink und Kupfer sind essenziell, weil sie die Knochenstruktur stabilisieren und den Stoffwechsel unterstützen. Hinzu kommt Eiweiß: Es ist entscheidend für die Muskulatur, die den Knochen stärkt und schützt.

Gibt es Unterschiede zwischen Männern und Frauen?
Ja, vor allem hormonell. Testosteron und Östrogen wirken beide knochenstärkend. Bei Frauen fällt dieser Schutz mit dem Rückgang des Östrogenspiegels in den Wechseljahren weg, deshalb steigt das Risiko für Osteoporose ab etwa 50 Jahren deutlich an. Entsprechend wichtig ist es, in dieser Lebensphase besonders auf Ernährung, Bewegung und gegebenenfalls eine Hormon- oder Nährstofftherapie zu achten.

Wie wirkt sich eine vegetarische oder vegane Ernährung auf die Knochengesundheit aus?
Ovolacto-Vegetarier, also Menschen, die Milch und Eier essen, aber kein Fleisch, sind in der Regel gut versorgt. Sie nehmen über Milchprodukte Calcium und über Eier hochwertiges Eiweiß auf. Veganerinnen und Veganer dagegen verzichten auf diese Quellen, wodurch häufig Calcium, Vitamin D und Protein nicht in optimalen Mengen aufgenommen werden. Wer vegan lebt, sollte deshalb gezielt auf eine calciumreiche, mit Vitamin D angereicherte Ernährung achten und gegebenenfalls supplementieren.

Warum ist Calcium so entscheidend?
Calcium ist der Hauptbaustein des Knochens, rund 99 Prozent des gesamten Körpercalciums sind dort gespeichert. Der Knochen ist ein lebendes Gewebe, das sich ständig auf- und abbaut. Fehlt über längere Zeit Calcium, wird die Substanz instabil, weil dem Körper schlicht das Baumaterial fehlt. Daher ist eine kontinuierlich ausreichende Calciumzufuhr in jedem Alter wichtig.

Und Vitamin D – welche Rolle spielt es?
Vitamin D ist der entscheidende Partner von Calcium. Es sorgt dafür, dass Calcium aus der Nahrung im Darm aufgenommen und anschließend in den Knochen eingebaut wird. Ohne Vitamin D bleibt das Calcium sozusagen „unterwegs stecken“. Da es kaum über Lebensmittel aufgenommen wird, ist die Sonne unsere wichtigste Quelle. In unseren Breitengraden reicht das Sonnenlicht aber vor allem im Winter nicht aus, dann ist eine Supplementierung sinnvoll.

Welche weiteren Vitamine und Mineralstoffe sind relevant?
Vitamin K aktiviert bestimmte Knochenproteine, die für die Mineralisierung notwendig sind – man könnte sagen, es verbindet die Bausteine zu einer stabilen Struktur. Magnesium wiederum stabilisiert die Knochenmatrix und reguliert die Aktivierung von Vitamin D. Beide sind damit unverzichtbare Mitspieler im Team „Knochengesundheit“.

Und welche Lebensmittel liefern all das in der Praxis?
Milchprodukte stehen beim Calcium an erster Stelle: Milch, Joghurt, Quark oder Käse. Wer pflanzliche Alternativen bevorzugt, sollte darauf achten, dass sie mit Calcium angereichert sind. Mineralstoffreiche Wässer sind ebenfalls hervorragende Calciumquellen. Für Vitamin K sind grüne Gemüsesorten wie Brokkoli, Grünkohl oder Spinat ideal, für Magnesium Nüsse, Samen und Hülsenfrüchte. Und fettreicher Seefisch liefert das wertvolle Vitamin D.

Wie gut sind wir in Deutschland mit diesen Nährstoffen versorgt?
Leider nicht optimal. Etwa die Hälfte der Bevölkerung erreicht die empfohlene Calciumzufuhr von 1000 Milligramm täglich nicht, bei Vitamin D ist die Unterversorgung noch häufiger. Auch bei Magnesium und Eiweiß, gerade bei älteren Menschen, sehen wir Defizite. Dabei sind das genau die Nährstoffe, die für den Erhalt der Knochenmasse entscheidend sind.

Wann sind Nahrungsergänzungsmittel sinnvoll?
Vitamin D zu supplementieren ist vor allem im Winter grundsätzlich zu empfehlen. Bei unzureichender Calciumzufuhr, etwa bei geringer Milchproduktaufnahme oder bei bestimmten Medikamenten wie Magensäureblockern, kann auch Calcium ergänzt werden. Gleiches gilt für Magnesium bei älteren Menschen oder bei chronischem Stress, Bluthochdruck oder Diabetes.

Und zum Schluss: Ihre drei wichtigsten Ernährungstipps für starke Knochen – egal in welchem Alter?

  1. Den Vitamin-D-Status im Blick behalten – Tageslicht tanken und im Winter supplementieren..
  2. Täglich calciumreiche Lebensmittel einbauen, ob Milchprodukte angereicherte Pflanzendrinks oder calciumreiches Mineralwasser
  3. Auf eine ausreichende Eiweißzufuhr achten, um die Muskulatur zu stärken – sie ist der natürliche Partner stabiler Knochen.

Wer mehr zum Thema wissen möchte sollte sich die neue Podcastfolge von ErnährungPlus – der FoodCast zum Thema „Ernährung für starke Knochen“ anhören. Diese erscheint am 29. Oktober auf Spotify.