Position/Stellungnahme

Stellungnahme des BLL bezüglich des Verbraucher-Informationsgesetzes gegenüber dem Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Deutschen Bundestages

- Der Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e. V. (BLL) repräsentiert als Spitzenverband der deutschen Lebensmittelwirtschaft die gesamte Lebensmittelkette, beginnend mit der Landwirtschaft, über die Industrie, das Handwerk bis hin zum Handel sowie die Großverbraucher, alle Zuliefererbereiche einschließlich des Futtermittelsektors und die Tabakbranche. Mit rund vier Millionen Beschäftigten und ca. 587 Milliarden Euro Umsatz, der in 760.000 Betrieben erarbeitet wird, stellt die Lebensmittelwirtschaft einen der bedeutendsten Wirtschaftszweige in Deutschland dar.

Das Aufgabengebiet des BLL umfasst die Entwicklung des europäischen und deutschen sowie des internationalen Lebensmittelrechts und die aktive Begleitung der einschlägigen naturwissenschaftlichen Disziplinen. Zu seinen Mitgliedern zählen rund 90 (Fach-) Verbände, ca. 270 Unternehmen (von mittelständischen Unternehmen bis zu multinationalen Konzernen) und über 190 Einzelmitglieder (vor allem private Untersuchungslaboratorien und Anwaltskanzleien). Der BLL ist Gesprächspartner von Politik, Verwaltung, Wissenschaft, Verbraucherorganisationen und Medien im Politikfeld „Verbraucherschutz“. Hierzu zählt auch das Thema Verbraucherinformation.

Anlässlich der Evaluierung des Verbraucherinformationsgesetzes ist erneut darauf hinzuweisen, dass die Lebensmittelwirtschaft das Ziel einer sachgerechten Information der Verbraucher unterstützt. Allerdings darf die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Lebensmittelwirtschaft und im Extremfall die Existenz betroffener Unternehmen durch den Vollzug des Verbraucherinformationsgesetzes auch in Zukunft nicht gefährdet werden. Frühzeitige, ungesicherte Informationsoffenlegung, Fehlinterpretationen oder Panikmeldungen können für die Betroffenen unübersehbare wirtschaftliche Konsequenzen haben, d.h. zu Absatzeinbrüchen und Unternehmenskrisen bis hin zur Existenzgefährdung führen. Unternehmen oder Produkte dürfen daher nicht in ungerechtfertigter Weise an einen öffentlichen Pranger gestellt werden. Aus diesem Grunde ist bei der Fortentwicklung des Verbraucherinformationsgesetzes die Sicherstellung eines angemessenen Ausgleichs von Informationsinteressen der Verbraucher und legitimen Schutzinteressen der Unternehmen zwingend zu gewährleisten. Dies setzt aus Sicht des BLL voraus, die vom Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) im Rahmen der Evaluierung eingeholten wissenschaftlichen Forschungsarbeiten sorgfältig auszuwerten. Im Rahmen der öffentlichen Dialogphase muss ausreichend Zeit zur inhaltlichen Prüfung und Kommentierung dieser wichtigen Evaluierungsgrundlage gegeben werden, bevor gesetzgeberische Konsequenzen ins Auge gefasst werden. Hiermit ist der BLL derzeit intensiv beschäftigt.

1. In welchen Punkten hat sich das VIG bewährt bzw. in welchen Punkten sind Änderungen sinnvoll und notwendig?
Aus Sicht des BLL haben sich insbesondere die Ausgestaltung der Verfahrensrechte der Unternehmen in Verwaltungsverfahren wie das -auch durch § 28 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG)- gewährleistete Recht auf Anhörung und Stellungnahme sowie die Möglichkeit einer Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes vor einer tatsächlichen Informationsoffenlegung bewährt. Diese grundrechtlich geschützten Rechte sind unteilbar und stehen auch Unternehmen zu. Sie sind daher auch künftig in vollem Umfang sicherzustellen. Auch der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen ist von erheblicher Bedeutung für den Bestand und den Wert eines Unternehmens und ist in besonderem Maße verfassungsrechtlich garantiert. Der absolute Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen ist daher gerechtfertigt und vollumfänglich beizubehalten. In den nachfolgenden Punkten besteht aus Sicht der Lebensmittelwirtschaft dagegen Änderungsbedarf:

„Hinreichende Bestimmtheit“ von Anträgen
Die ersten zwei Jahre des VIG waren geprägt von Anträgen einzelner Umwelt- und Verbraucherverbände, die die Reichweite des Informationszugangs durch umfassende Auskunftsanträge austesteten und dadurch die personellen Ressourcen der betroffenen Behörden und der anzuhörenden Unternehmen erheblich strapazierten. Mit kostenträchtigen Ausforschungs- oder Rundum-Anträgen ohne Konkretisierung oder Eingrenzung auf einen bestimmten Sachverhalt wollten sie sich einen Gesamtüberblick über das bei den Behörden vorhandene Wissen verschaffen und den behördlichen Datenpool möglichst umfassend für eigene Interessen abschöpfen. Solche pauschalen Ausforschungs- oder Rundumanträge ohne eine irgendwie geartete Konkretisierung bzw. Eingrenzung auf einen Lebenssachverhalt sind nach Auffassung des BLL als unzulässig anzusehen. Nähere Konkretisierungen oder Eingrenzungen scheinen dem Antragsteller in diesen Fällen auch mit Blick auf den Regelungszweck des VIG zumutbar zu sein. Auch wenn das Verbraucherinformationsgesetz nach seinem Regelungszweck weit auszulegen ist, sind im Rahmen des Gesetzesvollzuges – nicht zuletzt unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit – die Informationsinteressen der Allgemeinheit und die legitimen Schutzinteressen der Unternehmen in einen angemessenen Ausgleich zu bringen. Derartige weder mit dem Bestimmtheitsgebot noch mit dem Gesetzeszweck zu vereinbarende Pauschalanträgen sind künftig zu unterbinden.

Die Definition des „Rechtsverstoßes“
Als zweites Kernproblem beim Vollzug des Verbraucherinformationsgesetzes hat sich nach den Erfahrungen der Praxis die Frage herauskristallisiert, wann eigentlich ein „Rechtsverstoß“ im Sinne des Verbraucherinformationsgesetzes vorliegt. So geht es im Rahmen der Anhörung nach § 4 VIG immer häufiger um Sachverhalte oder Untersuchungsbefunde, zu denen die betroffenen Unternehmen vorher niemals in einem Verwaltungs- oder Bußgeldverfahren förmlich angehört wurden. Es handelt sich vielmehr um Gutachten von Untersuchungsämtern, in denen eine Abweichung von den Vorschriften des Lebensmittelrechts dargelegt wird. Die Befunde der Untersuchungsämter wurden von der zuständigen Vollzugsbehörde aber nicht weiterverfolgt, d. h. es wurden keine weitergehenden Vollzugsmaßnahmen daran geknüpft. Dennoch werden die Befunde in den Behördenunterlagen schlagwortartig z. T. als „Verstoß gegen § XY“ oder „Kennzeichnungsverstoß“ bezeichnet.

Aus Sicht des BLL kann die Feststellung eines „Rechtsverstoßes“ aber nicht bereits durch ein Analysengutachten eines Untersuchungsamtes erfolgen, in welchem für das Produkt eine Abweichung von den Vorschriften des Lebensmittelrechts dargelegt wird. Insoweit kann auch nach den Feststellungen des Evaluierungsgutachtens der Philipps-Universität Marburg (Ziffer 32 der Zusammenfassung der Ergebnisse) allein die zuständige Vollzugsbehörde einen relevanten „Rechtsverstoß“ unter Würdigung aller Gesamtumstände feststellen. Erachtet die zuständige Vollzugsbehörde die Veranlassung von behördlichen Maßnahmen gegenüber dem betroffenen Unternehmen nicht für notwendig und bleibt sie untätig, muss davon ausgegangen werden, dass in diesen Fällen kein hinreichender Tatverdacht im Hinblick auf das Vorliegen verfolgungswürdiger Verstöße gegen das Lebensmittelrecht bestanden hat. Aus diesem Grunde kann der Informationsanspruch hier nicht auf die Tatbestandsvariante „Daten über Verstöße gegen das Lebensmittelrecht“ im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 VIG gestützt werden, da ein Rechtsverstoß eben nicht tatbestandsmäßig festgestellt ist.

Die Frage, wann von einem „Rechtsverstoß“ im Sinne des VIG ausgegangen werden kann, hat ferner Auswirkungen auf die Frage, ob und inwieweit sich die Unternehmen der Lebensmittelwirtschaft auf die Ausschluss- und Beschränkungsgründe in § 2 Satz 1 Nr. 1 b) VIG und § 2 Satz 1 Nr. 2 c) VIG berufen können. So greift bspw. die in § 2 Satz 1 Nr. 1 b) VIG geregelte grundsätzliche Ausschlusswirkung eines Informationsanspruches während eines laufenden Verwaltungsverfahrens nicht, wenn es sich um Verstöße gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 1 VIG oder um von einem Erzeugnis ausgehende Gesundheitsgefahren im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 2 VIG handelt. In § 2 Satz 1 Nr. 2 c) VIG wird ferner klargestellt, dass Verstöße gegen das LFGB, gegen die aufgrund des LFGB erlassenen Rechtsverordnungen und gegen unmittelbar geltende Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft im Anwendungsbereich des LFGB sowie Maßnahmen, die im Zusammenhang mit solchen Verstößen getroffen worden sind, nicht unter den Ausschlussgrund des Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses oder einer der sonstigen dort genannten wettbewerbsrelevanten Informationen fallen.

Ausnahme „laufender Verwaltungsverfahren“
Viele behördliche Ermittlungen erweisen sich aber nach einer näheren Prüfung als unbegründet. Das Verwaltungsverfahren beginnt schon in einem sehr frühen Stadium, in dem Informationen über angebliche Gesetzesverstöße noch in keiner Weise überprüft, geschweige denn abgesichert sind (bspw. Mitteilung angeblicher Gesetzesverstöße inländischer Unternehmen zwischen Behörden der Mitgliedstaaten). Gerade die vorschnelle Offenlegung angeblicher, aber noch nicht überprüfter Rechtsverstöße und damit der Inhalte nicht abgeschlossener Verwaltungsverfahren durch die Behörden kann für Unternehmen unumkehrbare sowie existenzgefährdende Konsequenzen haben, zumal in diesen Fällen keine Güter- bzw. Interessenabwägung gefordert ist. Sie kann überdies aufgrund des hierdurch entstehenden öffentlichen Drucks eine sachgemäße Behördenentscheidung gefährden.

Aus diesem Grunde sollten laufende Verwaltungsverfahren aus Sicht der Lebensmittelwirtschaft ohne Einschränkung einen Ausschlussgrund für den individuellen Informationsanspruch gegenüber Behörden bilden; nur so können die Verbreitung völlig ungesicherter Informationen, beispielsweise durch Instrumentalisierung durch Wettbewerber oder andere interessierte Kreise, und die Entstehung schwerer wirtschaftlicher Schäden auf der Basis einer falschen Informationsgrundlage vermieden werden. Der in § 2 Nr. 1 b) VIG vorgesehene Ausschluss der Informationsoffenlegung in einem nachfolgenden Ordnungswidrigkeiten- oder Strafverfahren kommt in diesen Fällen zu spät und ist für die Betroffenen im Ergebnis wirkungslos.

Beachtenswert erscheint zudem, dass für solche frühzeitigen, ungeprüften Einzelauskünfte gegenüber individuellen Verbrauchern auch keine sachliche Notwendigkeit besteht. So wird die zuständige Behörde im Falle einer angenommenen Gefahr für geschützte Verbraucherinteressen und damit eines zeitlich akuten Handlungsbedarfs aufgrund des potenziellen Gesetzesverstoßes die gesamte Öffentlichkeit ausschließlich nach den Vorgaben des § 40 LFGB informieren. In den verbleibenden, § 40 LFGB nicht unterliegenden Fällen ist es dagegen richtig und angemessen, mit einer Offenlegung von Produkt- oder Unternehmensnamen bis zur rechtskräftigen Feststellung eines Gesetzesverstoßes zu warten. Die bisherige Möglichkeit, in bestimmten Fällen bereits während laufender Verwaltungsverfahren anfragenden Verbrauchern Auskünfte zu erteilen, ist daher zu streichen.

Aufbereitung von Informationen
Informationsbegehren richten sich verstärkt auf die Veröffentlichung von Analysenergebnissen bzw. Messdaten, bspw. von Acrylamidgehalten in bestimmten Produkten. In diesem Zusammenhang stellt sich - gänzlich unabhängig von der konkreten Prüfung der Zulässigkeit einer solchen Veröffentlichung von Daten im Einzelfall – die generelle Frage, wie in einem solchen Falle der gesetzlichen Vorgabe einer „verständlichen Darstellung“ solcher Informationen gemäß § 5 Abs. 1 Satz 3 VIG Rechnung zu tragen ist. Nach der Amtlichen Begründung zu § 5 Abs. 1 Satz 3 VIG sollen die Behörden dazu angehalten werden, die inhaltliche Verständlichkeit der Informationen sicher zu stellen. Eine Erläuterung der Information steht jedoch im Ermessen der auskunftspflichtigen Stelle und hängt vom Aufwand und der Erforderlichkeit ab.

Der BLL hatte in diesem Zusammenhang bereits im Gesetzgebungsverfahren deutlich gemacht, dass Verbraucher in der Lage sein müssen, produktbezogene Informationen richtig zu beurteilen. Schon aus diesem Grund sei zur Erreichung des Gesetzeszweckes sicher zu stellen, dass dem anfragenden Verbraucher nur aussagekräftige und aus dem Gesamtkontext verständliche Informationen übermittelt werden. Dazu sei es aber unabdingbar, dass Rohdaten oder Analysenergebnisse, die aus sich selbst heraus gerade nicht verständlich sind, mit Erläuterungen versehen und in einer allgemein verständlichen Form von der Behörde aufbereitet werden. Es müsse gewährleistet sein, dass die Behörden nicht isolierte und aus dem Gesamtzusammenhang gerissene Informationen herausgeben. Aus diesem Grunde ist zwar keine generelle Pflicht zur Aufbereitung von Informationen erforderlich, wohl aber bei Bedarf, d. h. in den Fällen, in denen die Information für den Verbraucher aus sich heraus nicht verständlich ist.

Art und Umfang einer behördlichen Verpflichtung zur Überprüfung der inhaltlichen Richtigkeit
Schließlich zeigt sich aus den Erfahrungen der letzten Monate, dass auch dem Streit um die Verfassungsmäßigkeit des § 5 Abs. 3 VIG eine hohe praktische Relevanz zukommen dürfte. Nach § 5 Abs. 3 VIG ist die auskunftspflichtige Behörde nicht verpflichtet, die inhaltliche Richtigkeit der offenzulegenden Information zu überprüfen, soweit es sich nicht um personenbezogene Daten handelt. Jedoch ist die Stelle verpflichtet, die Information nur gemeinsam mit ihr möglicherweise bekannten Hinweisen auf die Zweifel an der Richtigkeit der Information herauszugeben.

Die Pauschalität dieser Formulierung ist von Seiten der Lebensmittelwirtschaft bereits im Gesetzgebungsverfahren stark kritisiert worden. So darf mit Blick auf die erheblichen Konsequenzen einer Nennung von Produkt- oder Unternehmensnamen in der Öffentlichkeit die Behörde nicht generell von der Verpflichtung entbunden werden, die sachliche Richtigkeit der offen zu legenden Informationen zu überprüfen und die Verantwortung hierfür zu übernehmen. Hierfür spricht auch das verfassungsrechtliche Gebot, dass staatliche Informationen verständlich, zutreffend und vollständig zu sein haben.

Auch das Evaluierungsgutachten der Philipps-Universität Marburg sieht im Hinblick auf die Vorgaben zur Richtigkeit der erteilten Auskünfte Konkretisierungsbedarf (Ziffer 34 der Zusammenfassung der Ergebnisse). Der BLL hatte schon damals geäußert, dass er eine Beschränkung der Überprüfungspflicht nur auf solche Informationen beziehen könne, die die Behörde von den Unternehmen selbst generiert hat, nicht aber auf selbst erstellte Daten oder in Auftrag gegebene Unterlagen (wie z. B. Untersuchungsgutachten). Ansonsten könne das fehlende Prüferfordernis im Ergebnis zu einer nicht gerechtfertigten Haftungsbeschränkung bzw. zu einem teilweisen Haftungsausschluss führen. Der hierüber bestehende Meinungsstreit in der Kommentarliteratur zum VIG dürfte letztendlich nur durch ein Gerichtsurteil entschieden werden können. Ob ein Unternehmen diesen langen Weg beschreiten wird, bleibt abzuwarten. Es ist den Unternehmen aber in jedem Falle anzuraten, die Behörde auf die Unrichtigkeit von offenzulegenden Daten aufmerksam zu machen, um bei ihr Zweifel an der Richtigkeit der Daten zu wecken, die sie dann auch gegenüber dem Antragsteller mitzuteilen hat. Schließlich sollten auch im Laufe des Anhörungsverfahrens vom betroffenen Unternehmen eingebrachte zusätzliche Informationen, beispielsweise im Rahmen der Eigenkontrollen gewonnene vorteilhaftere Analysenergebnisse – ggfs.mit einem erklärenden Hinweis – in die Auskunftserteilung aufgenommen werden.

2. Welche Informationsansprüche gegenüber Unternehmen sind für VerbraucherInnen und die Verbraucherverbände von besonderem Interesse und sollten in das VIG aufgenommen werden?
Schon aus Gründen des Wettbewerbs haben die Unternehmen ein hohes Interesse daran, die Wünsche der Verbraucher einschließlich ihres Informationsbedarfs bezüglich der angebotenen Produkte zu befriedigen. Dies gilt besonders für die von vielen Unternehmen angestrebte Marken- und Kundenbindung. Der Wettbewerb ist daher der wichtigste Garant für eine umfassende Information der Verbraucher. Dies wird durch die Kommunikationspraxis der Unternehmen bestätigt. Ein Informationsanspruch gegenüber Unternehmen wäre wegen des damit verbundenen hohen Aufwands gerade für kleine und mittlere Unternehmen nicht leistbar, würde eine Benachteiligung gegenüber ausländischen Anbietern bedeuten und den Initiativen der Bundesregierung zum Bürokratieabbau zuwider laufen. Siehe hierzu auch die Ausführungen zu Frage 18.

3. Reicht der Anwendungsbereich des Verbraucherinformationsgesetzes aus und welche Probleme würde eine Ausweitung auf andere Bereiche, beispielsweise auf Produkte und Dienstleistungen, nach sich ziehen?
Der BLL befasst sich in erster Linie mit den vom VIG ohnehin erfassten Erzeugnissen des LFGB. Dabei umfasst der Begriff „Erzeugnisse“ gemäß § 2 Abs. 1 Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) Lebensmittel, einschließlich Lebensmittelzusatzstoffe, Futtermittel, kosmetische Mittel und Bedarfsgegenstände. Allein der Inhalt des Begriffs „Bedarfsgegenstände“ in § 2 Abs. 6 LFGB, der nicht nur Lebensmittelbedarfsgegenstände, sondern auch z.B. Spielwaren, Scherzartikel, Bekleidungsgegenstände, Bettwäsche, Armbänder sowie Pflege- und Reinigungsmittel umfasst, macht deutlich, dass sich der Anwendungsbereich des VIG nicht auf Lebensmittel beschränkt, sondern deutlich darüber hinausgeht.

Ferner gewährt das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes (IFG), das mittlerweile in zehn Bundesländern eine Entsprechung auf Landesebene findet, den Verbrauchern ein allgemeines Informationszugangsrecht zu amtlichen Informationen, die bei Behörden auf Bundes- und Landesebene vorliegen. Aus diesem Grunde erscheint die Notwendigkeit einer Ausweitung des Anwendungsbereichs zweifelhaft.

4. Welche Probleme sind für Verbraucher und Behörden mit den uneinheitlichen Informationsansprüchen des Verbraucherinformationsgesetzes im Vergleich zum Umweltinformationsgesetz und dem Informationsfreiheitsgesetz verbunden?

5. Inwieweit wäre eine Zusammenlegung des Informationsfreiheitsgesetzes, des Umweltinformationsgesetzes und des Verbraucherinformationsgesetzes sinnvoll bzw. welche rechtlichen und praktischen Probleme würde eine Zusammenlegung nach sich ziehen?

Eine Zusammenführung von Verbraucherinformationsgesetz, Informationsfreiheitsgesetz und Umweltinformationsgesetz sollte geprüft werden, erscheint aber eher als eine mittel- bis langfristige Perspektive. Hierbei wären aus Sicht der Lebensmittelwirtschaft allerdings die in dieser Stellungnahme zum VIG erläuterten Eckpunkte eines angemessenen Interessenausgleichs zwischen Informationsinteressen der Verbraucher und Schutzinteressen der Unternehmen zu berücksichtigen.

6. Welche zusätzlichen über die bereits bestehenden Informationszugangsrechte hinausgehenden Informationen könnten Verbraucherinnen und Verbraucher durch eine Ausweitung des Geltungsbereiches des Verbraucherinformationsgesetzes erlangen?

Auf die Antwort zu Frage 3 wird verwiesen.

7. Weshalb haben die Verbraucher nicht stärker die neuen Informationsrechte im Verbraucherinformationsgesetz genutzt?

8. Wie kann der Informationszugang des Verbraucherinformationsgesetzes weiter verbessert werden, um „normalen“ Verbrauchern künftig noch bessere Zugangsmöglichkeiten in Aussicht zu stellen?

9. Welche Erkenntnisse bzw. Untersuchungen gibt es darüber, was Verbraucher wissen wollen, und in welcher Form und wo sollten die entsprechenden Informationen zugänglich sein, um Verbraucherinnen und Verbrauchern bei ihren Entscheidungen im Alltag zu helfen?

Gemeinsame Antwort zu Fragen 7 bis 9: Neben der Beachtung der zahlreichen Regelungen zur Kennzeichnung und Verbraucherinformation bietet die Wirtschaft interessierten Verbrauchern in zunehmendem Maße auf freiwilliger Basis eine intensive Kundeninformation und -beratung (Telefon-Hotlines, Internetseiten, persönliche Kundenkontakte, Tage der offenen Tür) an, die vom Verbraucher stark genutzt werden. Es besteht daher ein umfangreicher und stetig wachsender direkter Kontakt zwischen Verbrauchern und Unternehmen, der das Grundvertrauen in die Lebensmittelwirtschaft stärkt, wie jüngste Meinungsumfragen zeigen.

Anlässlich des vom BMELV am 12./13. Mai 2009 veranstalteten Symposiums zum Thema „Zugang zu Unternehmensinformationen – was fordern die Verbraucher, was tut die Wirtschaft“ hat der BLL das Ergebnis einer Branchenumfrage unter 20 Unternehmen und Verbänden der Lebensmittelwirtschaft zum Thema „Verbraucherinformationen der Lebensmittelwirtschaft - Maßnahmen der Unternehmen und ihre Nutzung durch die Verbraucher“ vorgestellt. Die befragten Unternehmen waren führende Mittelständler sowie Großunternehmen der Ernährungsindustrie, des Lebensmittel-Einzelhandels sowie Verbände des Ernährungshandwerks. In der Umfrage wurden die freiwilligen Aktivitäten der Lebensmittelbranche für eine Verbraucherinformation sowie die dabei genutzten Kommunikationskanäle erfasst. Neben Internet-gestützten Möglichkeiten zur Selbstinformation nutzen Verbraucher demnach sehr intensiv vor allem Anfragemöglichkeiten per E-Mail oder Telefon. Jährlich gehen bei den befragten Unternehmen insgesamt über 1,5 Mio. telefonische Anfragen ein. Daneben beantworten geschulte Fachkräfte und Ernährungsberater Fragen zu gesunder Ernährung, Bewegung oder speziellen Ernährungsformen. Spezielle Beratungsmaßnahmen und Aktionen mit Kooperationspartnern z. B. in Supermärkten, in Schulen oder bei Sportveranstaltungen steigern zusätzlich die Reichweite der Verbraucherinformation.

Die Unternehmen der Lebensmittelwirtschaft kommen damit nicht nur ihrer gesetzlich vorgeschriebenen, umfangreichen Informationspflicht auf den Produkt-Etiketten nach, sondern engagieren sich im eigenen Interesse mit einem erheblichen Zusatzaufwand durch ergänzende, freiwillige Angaben auf den Verpackungen sowie durch individuelle Verbraucherberatung. Die Branchenumfrage zeigt, dass die Aktivitäten der Lebensmittelwirtschaft im Bereich Verbraucherberatung vielfältig sind und durch die Verbraucher geschätzt und umfangreich genutzt werden. Die Umfrageergebnisse bestätigen den großen Umfang von freiwilligen Verbraucherinformationsmaßnahmen der Lebensmittelwirtschaft sowie ihre Nutzung durch die Verbraucher.

10. Welche freiwilligen und welche verpflichtenden Verbraucherinformations- und Informationsfreiheitsregelungen existieren in anderen EU-Ländern und welche Erfahrungen gibt es damit – auch bei dort vertretenen deutschen Unternehmen? Wie könnte ein Informationsanspruch gegenüber Unternehmen aussehen, der Transparenz insbesondere hinsichtlich Kennzeichnung, Rückverfolgbarkeit und Eigenkontrolle schafft und Zugang zu Informationen eröffnet, die eine Prüfung besonders ausgelobter Eigenschaften und besonderer Werbeaussagen ermöglicht?
Die im Rahmen der Evaluierung des VIG vom BMELV in Auftrag gegebene rechtsvergleichende Studie des Instituts für Ausländisches und Internationales Privat- und Wirtschaftsrecht der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg zur Untersuchung des Verbraucherinformationsrechts hat sich intensiv mit der Analyse des Niveaus des Verbraucherschutzes durch Verbraucherinformation in verschiedenen EU-Ländern und den USA befasst. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass „sämtliche untersuchten Rechtsordnungen über ein dem deutschen Informationsfreiheitsgesetz vergleichbares Gesetz verfügen“. Ein dem VIG vergleichbares Gesetz ist hingegen in den anderen Ländern unbekannt. Ferner wird hervorgehoben, dass „sich in keiner der untersuchten Rechtsordnungen ein Direktanspruch auf Information gegen Unternehmer findet“. Als Gesamtergebnis wird festgestellt, dass das Schutzniveau in Deutschland dem der untersuchten Rechtsordnungen entspricht. Im Hinblick auf einen Informationsanspruch gegen Unternehmen wird auf die Antworten zu Fragen 9 und 18 verwiesen.

11. Wie würde sich ein Recht auf formlosen Antrag, z.B. per E-Mail und das Äquivalenzprinzip in der Kostenerhebung auf den Rechtsvollzug auswirken?
Es ist darauf hinzuweisen, dass nach dem Ergebnis der wissenschaftlichen Evaluierungsstudien von einer überhöhten Gebührenerhebung im Vollzug keine Rede sein kann. Es ist daher nicht davon auszugehen, dass hierin ein Hinderungsgrund für die Stellung von Anträgen zu sehen ist.

12. Welche aktiven Informationspflichten seitens der Behörden sollten im VIG verankert sein und würde eine Ausweitung der Veröffentlichungspflichten helfen, Verwaltungskosten zu reduzieren?
Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 VIG kann die auskunftspflichtige Stelle auch unabhängig von einem entsprechenden Antrag, also quasi präventiv, einen Informationszugang über das Internet oder in sonstiger öffentlich zugänglicher Form gewähren. § 5 Abs. 1 Satz 2 VIG ermöglicht der Behörde danach ein aktives staatliches Informationshandeln auch außerhalb des Bereiches der Gefahrenabwehr. Er gibt den Behörden das Recht, Informationen bereits im Vorfeld von Verbraucheranfragen aufzubereiten, zu standardisieren und dann zu veröffentlichen, nicht zuletzt um Kosten für die Durchführung der Verwaltungsverfahren zu sparen. Angesichts der weiten Streuung dieser Informationen in der allgemeinen Öffentlichkeit sind die Drittbeteiligungsrechte im Vorfeld einer Veröffentlichung strikt zu wahren.

Generell ist zu beachten, dass Fallkonstellationen, die unter das Verbraucherinformationsgesetz fallen, sich deutlich von solchen unterscheiden, die den Anwendungsbereich von § 40 LFGB betreffen. So umfasst § 40 LFGB eine präventive, pro-aktive Information der gesamten Öffentlichkeit (Allgemeinheit) zur Gefahrenabwehr, um die Verletzung von besonders geschützten Verbraucherinteressen zu verhindern. In diesen Fällen ist ein schnelles Handeln zur Abwehr von (gesundheitlichen) Gefahren für den Verbraucher erforderlich. Dagegen betrifft das VIG nachträgliche Auskunfts- bzw. Informationsansprüche einzelner oder mehrerer Verbraucher, um konkrete Sachverhalte über Unternehmen zu recherchieren. Da es in den VIG - Fällen gerade nicht um die Abwehr akuter Gefahren unter besonderem zeitlichen Druck geht, sind hier die Verfahrensrechte und Rechtsschutzmöglichkeiten für die betroffenen Unternehmen zwangsläufig stärker ausgeprägt. Auch das Evaluierungsgutachten der Philipps-Universität Marburg kommt zu dem Ergebnis, dass „nachträgliche Informationen nur indirekte Wirkungen haben können“ und „selbst bei zügiger Informationserteilung unmittelbar kaufrelevante Informationen aber nicht in einem zeitlich angemessenen Rahmen zur Verfügung stehen“ (Ziffer 30 der Zusammenfassung der Ergebnisse). Eine zeitnahe, vor Abschluss der laufenden behördlichen Verfahren erfolgende Veröffentlichung von Unternehmens- oder Produktnamen ist daher nur in absoluten Ausnahmefällen möglich. In solchen Fällen bleibt in der Regel die Unschuldsvermutung zu beachten. Aus diesem Grunde besteht für eine Veröffentlichung von potentiellen, d.h. nicht rechtskräftig festgestellten Rechtsverstößen unter Nennung von Unternehmens- oder Produktnamen unter dem Dach des VIG aus Sicht des BLL wenig Raum. Insoweit ist auf § 40 LFGB zurückzugreifen. Auch das Evaluierungsgutachten der Philipps-Universität Marburg legt nahe, Auskünfte über Verstöße nur dann zu erteilen, wenn diese bestandskräftig festgestellt worden sind, da sich von den Wirkungen die Bekanntgabe solcher Informationen für die Betroffenen häufig schwerwiegender darstelle als ordnungsrechtliche Maßnahmen (Ziffer 36 der Zusammenfassung der Ergebnisse).

13. Welche Erfahrungen gibt es mit den derzeitigen Abwägungsregeln in § 2 VIG im Vergleich zu anderen Informationszugangsrechten?
Insoweit ist auf die vorgelegten wissenschaftlichen Evaluierungsberichte, insbesondere die Studie der Philips-Universität Marburg, zu verweisen.

14. Welche positiven Verbesserungen sind für die Verbraucher von der Einführung eines „Smiley-Systems“ für Gaststätten nach dänischem Vorbild zu erwarten?

15. Inwieweit wäre die Einführung eines sog. Smiley-Systems – nach dänischem Vorbild – auf das deutsche Recht übertragbar und wäre ein solches System in der Praxis auch umsetzbar?

16. Empfiehlt es sich, die Ergebnisse der amtlichen Lebensmittelkontrolle mittels der sog. „Smiley-Kennzeichnung“ nach dänischem Vorbild sichtbar am Eingang eines Lebensmittelbetriebs für den Verbraucher zu dokumentieren und welche rechtlichen Änderungen und tatsächlichen Maßnahmen sind erforderlich, um die „Smiley-Kennzeichnung“ bundesweit einzuführen?

17. Welche Erfahrungen haben Sie mit der aktiven Informationsveröffentlichung durch Behörden, z.B. Pestizidreport in Nordrhein-Westfalen bzw. dem Smiley-System in Berlin oder Dänemark, gemacht und traten hierbei rechtliche Probleme auf?

Gemeinsame Antwort zu Fragen 14 bis 17: Eine effizient arbeitende amtliche Lebensmittelüberwachung und ein effektiver, einheitlicher Vollzug des Lebensmittelrechts sind für Verbraucher ebenso wie für die anbietende Wirtschaft unerlässlich. Dabei bietet das geltende Recht den Überwachungsbehörden die notwendigen Instrumente, um auf Verstöße im Bereich des Lebensmittelrechts in einzelfallgerechter und angemessener Form zu reagieren – von der Möglichkeit effektiver persönlicher Sanktionen durch Geldbußen oder Strafen bis hin zu einer Betriebsschließung. Zu diesem Instrumentarium gehören nicht Veröffentlichungen nach Art der Pankower Negativliste, die „Pranger“-Charakter haben. Eine öffentliche Anprangerung im Internet kann – schon aus Gründen einer effektiven Rechtsdurchsetzung – nicht den Vollzug des Lebensmittelrechts durch die Überwachung ersetzen, d. h. Mängel sind zum Schutz sämtlicher Verbraucher abzustellen; es genügt nicht, lediglich eine unbestimmte Zahl von Verbrauchern im Internet darauf hinzuweisen. Die Behörden sind an den Grundsatz der Rechtmäßigkeit der Verwaltung gebunden und insoweit zuerst zu risikoorientierter Überwachung und Vornahme geeigneter Vollzugsmaßnahmen verpflichtet. Auch das Evaluierungsgutachten der Philipps-Universität Marburg kommt zu dem Ergebnis, dass zur Bekämpfung von Skandalen oder etwaiger Missstände „zunächst einmal ein wirkungsvolles ordnungsrechtliches Handeln der zuständigen Behörden erforderlich ist“ (Ziffer 28 der Zusammenfassung der Ergebnisse). Gegen die Veröffentlichung von Rechtsverstößen im Internet, die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch Gegenstand von laufenden Verfahren sind, bestehen aus Sicht des BLL mit Blick auf die Unschuldsvermutung und die bestehenden Verfahrensrechte des Betroffenen erhebliche rechtliche Bedenken.

Darüber hinaus wirft die des Öfteren geforderte eine einfache Übertragung des dänischen Smiley-Systems auf die deutsche Überwachungspraxis grundlegende Fragen auf, die bisher unbeantwortet sind:

  • So haben in Dänemark sämtliche Betriebe zeitnah einen Ausgangsüberwachungsstatus erhalten, der einen Vergleich der Betriebe untereinander zulässt. Die zeitlich gestreckte Erhebung eines bundesweiten Ausgangsstatus über die Bewertung der deutschen Betriebe oder die Verteilung vorläufiger, übergangsweiser Einordnungen würde dagegen in positiver wie negativer Hinsicht schnell zu Wettbewerbsverzerrungen führen.
     
  • In Dänemark besteht ein landesweit einheitliches System mit gemeinsamen Kriterien für die Durchführung der Kontrollen und der Einordnung der Betriebe. Nur auf eine solche Weise werden Bewertungen von Betrieben landesweit vergleichbar.
     
  • In Dänemark können nach Erhebung eines schlechten Befundes sehr zeitnah nach der Behebung der Mängel Nachkontrollen eingefordert und auch umgesetzt werden. In diesem Falle kann das alte (schlechte) Prüfergebnis zügig durch ein neues, positiveres Prüfergebnis ersetzt werden, um dem betroffenen Unternehmen die Möglichkeit zu geben, sich zeitnah nach Beseitigung der Mängel zu rehabilitieren. Dies ist angesichts der wirtschaftlichen Folgen schon aus Gründen der Verhältnismäßigkeit angebracht. Das alte Ergebnis bleibt nur im Archiv erhalten.

Aus Sicht des BLL sind schon diese vorstehenden Kernvoraussetzungen in den bestehenden Strukturen der amtlichen Überwachung in Deutschland derzeit nicht zu leisten. Eine Übertragung des dänischen Systems auf Deutschland würde daher erhebliche finanzielle wie personelle Vorleistungen auf Seiten der für den Vollzug des Lebensmittelrechts zuständigen Bundesländer erforderlich machen. Auch insoweit wird im Evaluierungsgutachten der Philipps-Universität Marburg festgestellt, dass die „Funktionsfähigkeit und Aussagekraft einer derartigen Kennzeichnung einen flächendeckenden Vollzug und eine zeitnahe Nachkontrolle voraussetzt“ (Ziffer 31 der Zusammenfassung der Ergebnisse). Es bleibt schließlich zu prüfen, ob es sich dabei um eine „angemessene Maßnahme“ im Sinne von Art. 17 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 178/2002 handelt.

18. Welches wären die Auswirkungen, wenn die mit dem VIG verbundenen Auskunftspflichten auf Unternehmen ausgeweitet werden würden?
Wie bereits zu Fragen 7 bis 9 und 10 ausgeführt ist die Festlegung gesetzlicher Informationsansprüche gegen die Unternehmen zum einen den europäischen Rechtsordnungen bislang gänzlich unbekannt und zum anderen aus Sicht der Lebensmittelwirtschaft aufgrund ihrer umfangreichen freiwilligen Verbraucherkommunikationsaktivitäten auch unnötig. Ein großer Teil des Informationsbedarfs gegenüber Unternehmen lässt sich daher durch Informationsnachfrage der interessierten Verbraucher im Wettbewerb abdecken. Auch das Evaluierungsgutachten der Philipps-Universität Marburg kommt zu dem Ergebnis, dass „darüber hinausgehende gesetzliche Informationsansprüche nicht zweckmäßig erscheinen“ (Ziffer 21 der Zusammenfassung der Ergebnisse).

Benachteiligung deutscher Unternehmen gegenüber Wettbewerbern: Ein solcher unmittelbarer gesetzlicher Informationsanspruch gegenüber Unternehmen ist dem deutschen wie dem europäischen Recht unbekannt. Auch in anderen Bereichen, z. B. Umweltinformationsgesetz sowie Informationsfreiheitsgesetze, wird dieser Bereich (bewusst) ausgespart. Mit einem Informationsanspruch gegenüber Unternehmen würde also nicht nur ein nationales Sonderrecht geschaffen, sondern dieses auch noch exklusiv auf die Lebensmittel- und Futtermittelbranche beschränkt. Dieser nationale Alleingang würde die deutsche Lebensmittelwirtschaft einseitig belasten und Wettbewerbern aus anderen Mitgliedstaaten sowie Drittländern die Möglichkeit geben, deutsche Unternehmen „auszuforschen“.

Konterkarierung der Initiativen zum Bürokratieabbau: Die Einführung neuer gesetzlicher Informationsansprüche gegenüber Unternehmen würde den laufenden nationalen wie europäischen Initiativen zum Bürokratieabbau bzw. zur Entlastung der Wirtschaft, die gerade eine nachhaltige Abschaffung von Informationspflichten für Unternehmen zum Gegenstand haben, diametral entgegenstehen und vor allem kleine und mittelständische Unternehmen spürbar zusätzlich belasten. Insoweit reichen die zahlreichen freiwilligen und von den Verbrauchern ausgiebig genutzten Aktivitäten der Unternehmen zur Verbraucherkommunikation (z.B. Telefon-Hotlines, Internet) aus.

Informationsanspruch hat unterschiedliche Auswirkungen: Die Undifferenziertheit eines allgemeinen Auskunftsanspruchs gegen Unternehmen nimmt im Übrigen keine Rücksicht auf die unterschiedlichen Konsequenzen für die einzelnen Unternehmen. So würde eine solche Auskunftspflicht Handelsunternehmen mit großen Warensortimenten (z.B. 18.000 und mehr unterschiedlichen Artikeln) und einer hohen Zahl von Importprodukten vor nicht handhabbare Probleme stellen; de facto wäre der Informationsumfang bei importierten Produkten deutlich geringer. Auf der anderen Seite müssten kleine und mittelständische Betriebe grundsätzlich einen vergleichbaren Aufwand zur Pflege und zur Vorhaltung von Informationen betreiben wie europaweit oder gar international tätige Großunternehmen. Dies schafft nicht zu bewältigende Folgen für den Markt. Der Verzicht auf einen gesetzlichen Informationsanspruch gegen Unternehmen ist daher sachlich gerechtfertigt und erscheint vor dem Hintergrund der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen im Binnenmarkt auch geboten.

19. Wie wäre eine Veröffentlichungspflicht aller Anfragen und Antworten nach VIG zu bewerten und in welchen Fällen soll die Öffentlichkeit ohne Ermessensspielraum informiert werden?

20. Welche Begrifflichkeiten (z. B. Betriebs und Geschäftsgeheimnisse, Rechtsverstoß) müssen Ihrer Meinung nach gesetzlich definiert werden und welche Definitionen schlagen Sie hierfür vor?

Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse sind von erheblicher Bedeutung für den Bestand und den Wert eines Unternehmens und genießen einen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz. Ihr absoluter Schutz ist daher gerechtfertigt und vollumfänglich beizubehalten. Der Begriff selbst wird durch die ständige Rechtsprechung und Kommentierung zu § 17 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) ausreichend präzisiert.

Es ist bereits im Gesetzgebungsverfahren zum VIG immer wieder kritisiert worden, dass der Begriff der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse im Verbraucherinformationsgesetz nicht ausdrücklich definiert sei und die umfassende Berufung auf diesen Ausschlussgrund seitens der Unternehmen zu einem weitgehenden „Leerlaufen“ des gesetzlichen Informationsanspruchs nach § 1 VIG führe. Der BLL hatte schon im Gesetzgebungsverfahren wiederholt darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber im Einklang mit der Vorgehensweise bei der Schaffung von § 6 Informationsfreiheitsgesetz (IFG) mit der fehlenden eigenständigen Begriffsdefinition des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses im VIG bewusst an die bereits existierende Ausfüllung des gleichlautenden Begriffs durch die ständige Rechtsprechung und Kommentierung zu § 17 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) anknüpfen will.

Ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis betrifft danach „Tatsachen, die mit einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb zusammenhängen, nur einem begrenzten Personenkreis bekannt sind und nach dem erkennbaren Willen des Inhabers sowie dessen berechtigtem wirtschaftlichem Interesse geheim gehalten werden sollen“. Diese Voraussetzungen müssen gleichzeitig und kumulativ vorliegen. Als Kernfrage für das Eingreifen des Schutzes von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen ist danach das Merkmal des „berechtigten wirtschaftlichen Interesses an der Geheimhaltung“ nach objektiven Gesichtspunkten im Einzelfall zu klären. Maßgeblich hierfür ist vor allem die schutzwürdige wettbewerbliche Relevanz der Information.

Das betroffene Unternehmen kann eine Information als Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis kenntlich machen. Ob ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis vorliegt, ermittelt die Behörde, sofern es nicht offenkundig ist, durch entsprechende Beteiligung der betroffenen Dritten im Verfahren nach § 4 VIG. Die abschließende Entscheidung über das Vorliegen eines Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisses obliegt allerdings der Behörde; deren Bewertung ist wiederum durch die Gerichte voll justiziabel. Von daher ist der immer wieder erhobene Vorwurf falsch, allein die subjektive Klassifizierung einer Information als Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis durch das Unternehmen löse zwangsläufig die absolute Sperrwirkung des § 2 Satz 1 Nr. 2 c) VIG aus. Auch die ersten Erfahrungen in der Praxis zeigen, dass die zuständigen Behörden sehr wohl nachprüfen und selbst darüber entscheiden, ob es sich bei den von den Unternehmen entsprechend kenntlich gemachten Informationen tatsächlich um „Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse“ im Sinne des VIG handelt. Es besteht insoweit daher kein Handlungsbedarf.

21. Werden die bereits bestehenden Möglichkeiten des Verbraucherinformationsgesetzes und des § 40 Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch nach Ihrer Auffassung ausreichend genutzt? Welche rechtlichen und verfahrenstechnischen Änderungen sind erforderlich, damit Behörden die Öffentlichkeit proaktiv und unverzüglich über Untersuchungsergebnisse informieren?
Die im Gesetzgebungsverfahren zum LFGB ausführlich diskutierte Regelung des § 40 LFGB gibt den Behörden in der vorliegenden Fassung bereits sehr weitgehende Rechte zur aktiven Information der Öffentlichkeit (auch in Fällen des Vorsorgeprinzips, des Täuschungsschutzes und bei Vermarktung ekelerregender Lebensmittel), berücksichtigt aber auch die aus Sicht der Lebensmittelwirtschaft notwendigen Sicherungsmechanismen, weshalb sie akzeptabel für die Wirtschaft ist. So hat der Betroffene zunächst die Möglichkeit, selbst -in Abstimmung mit der Behörde- in die Öffentlichkeit zu gehen (dies ist die Regel), er ist vor einer Veröffentlichung in der Regel anzuhören und im Falle einer Falschmeldung besteht die Gelegenheit zu einer öffentlichen Richtigstellung. Darüber hinaus ist die Behörde nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gezwungen, eine Abwägung der privaten Interessen des Betroffenen mit dem Veröffentlichungsinteresse der Behörde vorzunehmen und im Zweifel dafür auch vollverantwortlich zu haften.

Die öffentliche Nennung von Produkt- oder Unternehmensnamen, insbesondere wenn sie durch eine Behörde mit ihrer staatlichen Autorität erfolgt, wird nämlich leicht als „Warnung“ verstanden mit den genannten Folgen für die betroffenen Unternehmen. Diese wird schnell eine unkontrollierte, flächendeckende Eigendynamik entwickelt haben. Falls sich später ihre Unbegründetheit herausstellt, wird ihr zwar nachträglich der Boden entzogen, ohne dass aber die eingetretenen Folgewirkungen für das oder die betroffenen Unternehmen rücknehmbar sind.

Die notwendige, weil verfassungsrechtlich gebotene Interessenabwägung zwingt die Behörde genau deshalb im Rahmen der Interessenabwägung zu besonderer Sorgfalt bei der Beurteilung der Frage, ob das in Rede stehende Informationsrecht in geschützte Rechtspositionen der Unternehmen eingreift und unverhältnismäßige Eingriffe und Belastungen vermeidet. Dies hindert die Behörde nicht daran, in Eilfällen, insbesondere bei gesundheitsgefährdenden Produkten, zügig vom Instrumentarium des § 40 LFGB Gebrauch zu machen.

Ferner kann die Behörde gemäß § 40 Abs. 2 Satz 2 LFGB ihrerseits die Öffentlichkeit auf eine Information der Öffentlichkeit oder einen Rückruf durch den Lebensmittelunternehmer hinweisen. Diesbezüglich haben einige Bundesländer bereits entsprechende Übersichten auf ihren Homepages angelegt; auch die Einrichtung einer bundesweiten Seite www.lebensmittelwarnung.de ist in Vorbereitung. Diesbezüglich ist darauf hinzuweisen, dass in Fällen mit akuter Gesundheitsrelevanz schon aus Haftungs- sowie Imagegründen ein eigenes Interesse des betroffenen Unternehmens besteht, den Verbraucher mit den notwendigen Informationen zu versorgen, um ein gesundheitsschädliches Produkt zu identifizieren und vom Verzehr auszuschließen. Hierzu kann die geplante Homepage einen hilfreichen Beitrag leisten. Weitere Verschärfungen des § 40 LFGB sind aus Sicht der Lebensmittelwirtschaft nicht angebracht.

22. Sollten amtliche Mess-, Analyse- und Kontrollergebnisse von Lebensmittelkontrollen als nicht unter Geschäfts- und Betriebsgeheimnisse fallende Daten behandelt werden?
Ob amtliche Mess-, Analyse- und Kontrollergebnisse Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse darstellen, ist im Einzelfall auf der Grundlage der geltenden Vorschriften des Verbraucherinformationsgesetzes zu beurteilen.

23. Welche der Regelungen über Ausschluss- und Beschränkungsgründe und das Verwaltungsverfahren im Verbraucherinformationsgesetz führen zu einer unangemessenen Beschränkung des Auskunfts- und Akteneinsichtsrechts und welche Änderungen schlagen Sie konkret vor?
Der derzeitigen, nach ausgiebigen Beratungen zustande gekommenen Fassung des VIG ist das erkennbare Bemühen um die Sicherstellung eines angemessenen Ausgleichs zwischen den weitreichenden Informationszugangsrechten der Verbraucher und den legitimen Schutzrechten der Unternehmen zu entnehmen. Dabei sind für die Unternehmen der Lebensmittelwirtschaft insbesondere der verfassungsrechtlich verankerte Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen und die weitgehend angemessene verfahrensrechtliche Beteiligung im Falle einer Betroffenheit von Drittinteressen von besonderer Relevanz. Verfahrensrechte der Unternehmen in Verwaltungsverfahren wie das Recht auf Anhörung und Stellungnahme sind als elementare Bürgerrechte grundgesetzlich abgesichert und nicht nach politischem Gutdünken disponibel! Diese Rechte sind unteilbar und stehen auch Unternehmen zu. Dies gilt auch für die Möglichkeit einer Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes vor einer tatsächlichen Informationsoffenlegung. Insoweit erscheint das außergerichtliche und gerichtliche Rechtsschutzsystem des § 4 VIG bei der Betroffenheit von Rechten Dritter insgesamt als sehr ausgewogen. Angesichts der weitreichenden wirtschaftlichen Folgen, die eine ungerechtfertigte Offenlegung geschützter Informationen für ein Unternehmen haben kann, wird die in § 4 VIG vorgegebene Verfahrensweise für einen angemessenen Rechtsschutz betroffener Dritter für zwingend erforderlich gehalten. Die Regelungen über Ausschluss- und Beschränkungsgründe und das Verwaltungsverfahren sind daher auch künftig in vollem Umfang sicherzustellen.

24. Welche (rechtlichen) Möglichkeiten sehen Sie, damit schneller und damit aktuellere Auskünfte im Rahmen des VIGs erteilt werden können? Konkret: Bewerten Sie eine der Informationsanfrage nachgelagerte Anhörung der Unternehmen als rechtlich notwendig oder sehen Sie andere – frühzeitigere – Möglichkeiten der Unternehmensbeteiligung, die die Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse ausreichend berücksichtigen und dem Datenschutz gerecht werden?
Auf die Antwort zu Frage 23 wird verwiesen.

25. Wie werden Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse in der Anwendungspraxis gehandhabt und in welche Richtung müsste eine Überarbeitung des VIG gehen?
Auf die Antwort zu Frage 20 wird verwiesen.