Position/Stellungnahme

Positionspapier zum Verordnungsvorschlag betreffend die Information der Verbraucher über Lebensmittel (Lebensmittelinformations-Verordnung)

- Die Position der Lebensmittelwirtschaft:

  • Die Lebensmittelwirtschaft unterstützt die Einführung der verpflichtenden Nährwertkennzeichnung wie auch die Absage der Kommission an die sogenannte Ampelkennzeichnung
  • Die über Pflichtangaben in einer Nährwerttabelle hinausgehenden Vorschriften zur Kennzeichnung auf der Verpackungsvorderseite und der Referenzmengen für die Tageszufuhr sollten entfallen. Stattdessen sollte der Lebensmittelwirtschaft die Möglichkeit eröffnet werden, diese und andere zusätzliche Angaben freiwillig aufzubringen. Allenfalls in Bezug auf die zentrale Information zum Brennwert (Kalorien) erscheint eine zusätzliche Verpflichtung auch zur Angabe zu den Referenzmengen für die Tageszufuhr gerechtfertigt.
  • Eine Mindestschriftgröße von 3 mm für alle Pflichtangaben auf Lebensmitteletiketten ist unpraktikabel; stattdessen sollten Leitlinien zur praktischen Unsetzung der Verpflichtung zur „deutlichen Lesbarkeit“ erarbeitet werden.
  • Widersprochen werden muss den Forderungen nach einer generellen Verpflichtung zur Herkunftskennzeichnung bei Zutaten, eine solche Verpflichtung wäre im heutigen Markt nicht praktikabel und würde die Produkte aufgrund beschränkter Rohstoffauswahl verteuern.
  • Widersprochen wird der Verpflichtung zur umfassenden Kennzeichnung bei loser Ware und anderen bürokratischen Ansätzen des Kommissionsvorschlags.
  • Die Lebensmittelwirtschaft spricht sich zudem entschieden gegen neue Kompetenzen der Mitgliedstaaten zu nationalen Sonderregelungen aus, die dem Ziel der Rechtsharmonisierung widersprechen und die Bürokratie weiter mehren.

Die Lebensmittelwirtschaft begrüßt die Initiative der EU-Kommission zur Konsolidierung und Aktualisierung des Rechts der Lebensmittel- und Nährwertkennzeichnung.
Die aktuellen Regelungen bedürfen 20 bzw. 30 Jahre nach ihrer Verabschiedung und nach einer Vielzahl von Änderungen und Ergänzungen, die sie immer komplizierter und unpraktikabler haben werden lassen, der Überarbeitung und Aktualisierung.

Den Vorschlägen der Kommission zur Nährwertkennzeichnung wird insoweit widersprochen, als sie mit den bisherigen gesetzlichen Vorgaben und den zusätzlichen freiwilligen Ansätzen der Wirtschaft, die bereits seit einiger Zeit eingeführt sind, nicht kompatibel sind.
Der Widerspruch gilt insbesondere für die Auswahl der zu kennzeichnenden Nährstoffe und den ausgedehnten Umfang der Kennzeichnungsverpflichtung, so für die Verpflichtung zur Kennzeichnung im „Hauptblickfeld“, das heißt auf der Packungsvorderseite. Die künstliche Trennung so essenzieller Informationen wie der Zutatenliste und der Nährwertkennzeichnung macht keinen Sinn. Wir fordern die Beschränkung der Nährwertkennzeichnung auf die zentrale Angabe zu den Kalorien und den wichtigsten Nährstoffen und den Verzicht auf die Aufspaltung der Nährwertangaben auf Verpackungsvorder- und -rückseite! Es muss den Unternehmen vorbehalten bleiben, wo sie die Angaben aufbringen. Nur dann ist die Vereinbarkeit mit den freiwilligen Kennzeichnungsansätzen der Lebensmittelwirtschaft gewährleistet, die die Politik bislang gefordert und gefördert hat und die mit erheblichem finanziellen Aufwand umgesetzt worden sind.

Die Vorschläge der Kommission zu einer Mindestschriftgröße von 3 mm sind nicht praktikabel.
Bei zahlreichen Verpackungen wird es bereits aus Platzgründen ausgeschlossen sein, die Pflichtkennzeichnungselemente in einer Mindestschriftgröße von drei Millimetern auf dem Etikett aufzubringen. Ist es möglich, bleibt in vielen Fällen kein ausreichender Raum für den Markenauftritt und für sonstige Angaben zur Produktbeschreibung und Werbung, die für den Verbraucher zur Produktidentifizierung wichtig und für die Unternehmen unverzichtbar für die Positionierung im Wettbewerb sind. Darüber hinaus ist eine Mindestschriftgröße keine Garantie für Lesbarkeit, die von vielen Faktoren abhängt. Regelungen müssen umsetzbar sein. Daher muss es hinsichtlich der Schriftgröße bei der generellen Verpflichtung bleiben, deutlich lesbare Angaben zu machen. Die Lebensmittelwirtschaft hat Leitlinien zur praktischen Umsetzung dieser Verpflichtung erarbeitet, die viel besser als Gesetzgebung die unterschiedlichen Parameter aufgreifen können, die es zu berücksichtigen gilt.

Den Vorschlägen der Kommission zur Herkunftskennzeichnung wird widersprochen. Sie sind praktisch nicht umsetzbar.
Insbesondere bei zusammengesetzten Lebensmitteln würden die neuen Vorgaben letztlich die für die Produktion unabdingbare freie Rohstoffauswahl, die sich nach dem Angebot des Weltmarktes richten muss, behindern und die Erzeugnisse verteuern. Insbesondere bei Produkten, bei denen Vermischungen in großen Lagern, z. B. Silos, erfolgen, wäre eine korrekte Herkunftskennzeichnung unmöglich. Wir fordern deshalb, von den neuen Regelungen zur Herkunftskennzeichnung Abstand zu nehmen!

Widersprochen wird auch dem neuen Ansatz zur Kennzeichnung loser Ware, der grundsätzlich alle Pflichtkennzeichnungselemente auch für lose Ware vorsieht und den Mitgliedsstaaten nur die Möglichkeit einräumt, für einzelne Kennzeichnungselemente Ausnahmen zu schaffen.
Weder bedarf es neuer Kennzeichnungsverpflichtungen beim Angebot loser Ware noch bürokratischer Verfahren für Ausnahmen auf Mitgliedsstaatsebene. Wir fordern deshalb die Beibehaltung des aktuellen Regelungsansatzes und damit das klare Bekenntnis des Gesetzgebers dazu, dass beim Angebot loser Ware die Information weiter wie bisher vor allem durch das Verkaufspersonal erfolgen kann.

Neuen mitgliedstaatlichen Regelungskompetenzen wird mit Nachdruck widersprochen.
Im derzeitigen Verordnungsentwurf werden den einzelnen Mitgliedsstaaten ausdrücklich Kompetenzen zum Erlass weiterer Kennzeichnungsvorschriften und -regelungen zugestanden, die es so bisher nicht gab. Neuen Regelungskompetenzen der Mitgliedsstaaten ist eine Absage zu erteilen. Sie wären ein Widerspruch zum Regelungsziel der Harmonisierung der Vermarktungsbedingungen für Lebensmittel in der Europäischen Union und stünden sowohl dem Ansinnen des Bürokratieabbaus als auch einem gut funktionierenden Binnenmarkt entgegen.

Insgesamt gilt: Die Wirtschaftsforderung nach „besserer Gesetzgebung“ sowie Vereinfachung und Verschlankung des Rechts ist weitgehend unberücksichtigt geblieben.
Die Kommission hat die Chance für einen Neuanfang nicht genutzt. Das machen folgende Zahlen deutlich: Der Verordnungsvorschlag regelt auf 67 Seiten verteilt über acht Kapitel, 54 Begründungserwägungen, 53 Artikel und 13 Anhänge, was zuvor in 40 Artikeln und fünf Anhängen geregelt war. Keine Kennzeichnungsverpflichtung ist entfallen; stattdessen soll es neue Verpflichtungen zur Nährwertkennzeichnung, zu Mindestschriftgrößen und zur Herkunftskennzeichnung geben. Wir fordern die Reduzierung und Vereinfachung der Vorschriften und weniger Bürokratie anstelle immer neuer Verpflichtungen!

Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e. V. (BLL)
Der BLL ist der Spitzenverband der deutschen Lebensmittelwirtschaft. Ihm gehören ca. 500 Verbände und Unternehmen der gesamten Lebensmittelkette Industrie, Handel, Handwerk, Landwirtschaft und angrenzende Gebiete an.

Für weitere Informationen:
Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e. V. (BLL)
RA Peter Loosen, LL.M.
E-Mail: ploosen[at]bll.de