Position/Stellungnahme

Position zum Verbraucherinformationsgesetz

- Seit anderthalb Jahren ist das Verbraucherinformationsgesetz (VIG) in Kraft. Es begründet einen weitreichenden Rechtsanspruch der Verbraucher auf Zugang zu den bei Behörden vorhandenen Informationen über Lebens- und Futtermittel, Kosmetika und Bedarfsgegenstände.

Nach Auffassung der Lebensmittelwirtschaft muss das VIG einen angemessenen Interessenausgleich zwischen den Informationsrechten der Verbraucher und den legitimen Schutzinteressen der Unternehmen zwingend gewährleisten. Die Nennung von Produkt- und Unternehmensnamen in der Öffentlichkeit betrifft bekanntermaßen gerade im Lebensmittelbereich einen äußerst sensiblen Bereich. Aus diesem Grunde ist streng darauf zu achten, dass die Verbraucher nicht durch frühzeitige, ungesicherte Informationsoffenlegung, Fehlinterpretationen oder Panikmeldungen fehlinformiert und dadurch verunsichert werden. Dies kann für die betroffenen Unternehmen unübersehbare wirtschaftliche Konsequenzen haben, die zu Absatzeinbrüchen und Unternehmenskrisen bis hin zur Existenzgefährdung führen können. Unternehmen oder Produkte dürfen daher nicht in ungerechtfertigter Weise an einen öffentlichen Pranger gestellt werden. Nach den eigenen Erfahrungen mit der Anwendung des VIG hält die Lebensmittelwirtschaft das Gesetz in mehreren Punkten für überarbeitungsbedürftig.

So waren die ersten anderthalb Jahre geprägt von Anträgen einzelner Umwelt- und Verbraucherverbände, die die Reichweite des Informationszugangs durch umfassende Auskunftsanträge austesteten und dadurch die personellen Ressourcen der betroffenen Behörden und der anzuhörenden Unternehmen erheblich strapazierten. Mit Ausforschungs- oder Rundum-Anträgen ohne Konkretisierung oder Eingrenzung auf einen bestimmten Sachverhalt wollten sie sich einen Gesamtüberblick über das bei den Behörden vorhandene Wissen verschaffen und den behördlichen Datenpool weitestgehend abschöpfen, um diese Informa-tionen dann für zukünftige Kampagnen nutzen zu können. Solchen weder mit dem Bestimmtheitsgebot noch mit dem Gesetzeszweck zu vereinbarenden Pauschalanträgen muss künftig Einhalt geboten werden.

Ferner sollten weitere Verbesserungen in das VIG eingearbeitet werden:

  • Im Gesetzestext ist zu präzisieren, wann ein „Rechtsverstoß“ im Sinne des Gesetzes vorliegt. Es sollte dabei klargestellt werden, dass für wertende Einordnung eines Rechtsverstosses die abschließende Feststellung der Vollzugsbehörde einschließlich der daran geknüpften behördlichen Maßnahmen und nicht bloße Empfehlungen in Gutachten der Untersuchungsämter maßgeblich sind.
  • Die bisherige Möglichkeit, in bestimmten Fällen bereits während laufender Verwaltungsverfahren einzelnen anfragenden Verbrauchern Auskünfte zu erteilen, sollte gestrichen werden, um keine ungeprüften/ungesicherten, möglicherweise fehlerhaften Informationen über angebliche Rechtsverstöße in einem frühen Verfahrensstadium die Öffentlichkeit zu bringen mit einem erheblichen Schadenspotenzial für die betroffenen Unternehmen. Der Schutz der Verbraucher im Falle einer akuten Gefährdung schützenswerter Verbraucherinteressen, die einer schnellen behördlichen Reaktion bedarf, wird ohnehin nicht durch das VIG, sondern durch eine aktive Information der Gesamtöffentlichkeit durch die zuständige Behörde nach § 40 Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) sichergestellt.
  • Es ist klarzustellen, dass Informationen, auf deren Zugang ein Anspruch bestehen soll, von den Behörden bei Bedarf sachgerecht aufzubereiten sind, um sie dem Verbraucher verständlich zu machen. Dies betrifft in erster Linie Rohdaten oder Analyseergebnisse, die aus sich selbst heraus nicht aussagekräftig für den Verbraucher sind.
  • Es ist darüber hinaus klarzustellen, dass die Behörde in jedem Falle die inhaltliche Richtigkeit offengelegter Eigeninformationen, d. h. selbst erstellter oder in Auftrag gegebener Daten, sicherstellen muss; für Fehlinformationen hat sie zu haften. Die in § 5 Abs. 3 VIG niedergelegte generelle Befreiung der Behörden vom Prüferfordernis begegnet verfassungsrechtlichen Bedenken und ist zu korrigieren.
  • Es sollte schließlich präzisiert werden, dass die Behörde in Fällen, in denen sich die Unrichtigkeit ihrer Behördendaten aus von den betroffenen Unternehmen vorgelegten, anders lautenden Gutachten zur Gegenprobe ergibt, zumindest verpflichtet ist, den Antragsteller auf den Inhalt dieser Gutachten hinzuweisen.
  • Die Einführung neuer gesetzlicher Informationsansprüche gegenüber Unternehmen würde den laufenden nationalen wie europäischen Initiativen zum Bürokratieabbau bzw. zur Entlastung der Wirtschaft, die gerade eine nachhaltige Abschaffung von Informationspflichten für Unternehmen zum Gegenstand haben, diametral entgegenstehen und vor allem kleine und mittelständische Unternehmen spürbar zusätzlich belasten. Insoweit reichen die zahlreichen freiwilligen und von den Verbrauchern ausgiebig genutzten Aktivitäten der Unternehmen zur Verbraucherkommunikation (z. B. Telefon-Hotlines, Internet) aus.

Der BLL hatte als Spitzenverband der deutschen Lebensmittelwirtschaft schon im Gesetzgebungsverfahren nachdrücklich auf eine praxisgerechte Berücksichtigung betrieblicher Belange gedrängt, um die Informationsinteressen der Verbraucher und die legitimen Schutzinteressen der Unternehmen in einen angemessenen Ausgleich zu bringen. Zu den unternehmerischen Belangen zählen vor allem der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen und die Möglichkeit einer Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes vor einer Offenlegung der Informationen an den Antragsteller. Die Gewährleistung des angemessenen Interessenausgleichs bleibt auch der entscheidende Maßstab für sämtliche Änderungsbestrebungen im Hinblick auf das VIG.

Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde e. V. (BLL)
Der BLL ist der Spitzenverband der deutschen Lebensmittelwirtschaft. Ihm gehören ca. 500 Verbände und Unternehmen der gesamten Lebensmittelkette Industrie, Handel, Handwerk, Landwirtschaft und angrenzende Gebiete an.

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