24.09.2014
| Veranstaltung
1. Mediendialog Lebensmittel: Vielfalt, Transparenz und Qualität – Gemeinsame Ansprüche von Medien und Lebensmitteln
Rückblick auf den BLL-Mediendialog 2014 im Berliner Gasometer

© BLL/Sandra Ritschel
Auf dem ersten Podium diskutierten (von links nach rechts) Dr. Dietmar Bartsch, Volker Stennei, Christoph Schwennicke, Prof. Dr. Thomas Leif (Moderator), Dr. Reinhard Göhner und Christoph Minhoff über Qualitätsjournalismus
„Eigentlich haben wir dieselben Ansprüche und wollen das Gleiche“, stellte BLL-Hauptgeschäftsführer Christoph Minhoff in seiner Begrüßungsrede fest. „Wir sind beide Vermittler: Die Medien vermitteln Informationen und die Lebensmittelbranche Nährstoffe. Dabei zählen Vielfalt, Transparenz und Qualität.“ Doch genau über diesen Qualitätsbegriff gibt es unterschiedliche Meinungen.

© BLL/Sandra Ritschel
BLL-Hauptgeschäftsführer Christoph Minhoff bei seiner Begrüßungsrede
Zum Download: Begrüßungsrede von Christoph Minhoff
Qualitätsjournalismus zwischen Vielfalt und Konformitätsdruck
In der ersten Podiumsdiskussion „Gesellschaftlicher Faktor Qualitätsjournalismus“ sagte Dr. Reinhard Göhner, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände: „Im Journalismus gibt es zu wenig Kapazität, um wirklich zu recherchieren. Diese Ausdünnung der Qualität hat zur Folge, dass Tiefe verloren geht. Schnelligkeit geht vor Gründlichkeit.“
Mediendialog Lebensmittel
Pageflow-Reportage

Bild, Text, Audio und Video – Den Mediendialog Lebensmittel multimedial erleben
Christoph Schwennicke, Chefredakteur des Magazins Cicero, pflichtete Stennei bei und ergänzte: „Unter existentiellem Druck wird man zu Höchstleistungen angespornt. Mangel macht kreativ.“ Zur Diskussion um Konformitätsdruck erläuterte Schwennicke: „Wir können im Cicero das ganze Spektrum an Meinungen abbilden – es gibt keinen Konformitätsdruck.“ Dass viele Leitmedien häufig denselben Aufmacher haben, erklärte Schwennicke mit teilweiser vorhandener Einfallslosigkeit und Bequemlichkeit seiner Berufskollegen.

© BLL/Sandra Ritschel
Cicero-Chefredakteur Christoph Schwennicke (hinten), gerichtet an Dr. Reinhard Göhner, BDA-Hauptgeschäftsführer
Kein Wirtschaftsjournalismus in Öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten
Kritik an den Öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten kam mit deutlichen Worten von Dr. Göhner: „ Es gibt keinen Wirtschaftsjournalismus mehr in den Öffentlich-Rechtlichen! Es gibt nur noch Verbrauchermagazine. Aber: die Zuschauer und Zuhörer bekommen, was sie wollen, denn Wirtschaftlichkeit interessiert nicht mehr.“

© BLL/Sandra Ritschel
Dr. Reinhard Göhner, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände e. V., kritisierte die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten
Den politischen Blick auf diese Frage richtete Dr. Dietmar Bartsch von der Bundestagsfraktion der LINKEN: „Die Öffentlich-Rechtlichen müssen reformiert werden, aber sie sind wichtig für die Demokratie.“ Für seinen Berufsstand erklärte er: „Ohne die Nähe zum Journalismus ist man tot. Und am Ende zählt in der Politik nur das Wahlergebnis – so, wie bei den Medien nur die Auflage zählt.“

© BLL/Sandra Ritschel
Dr. Dietmar Bartsch, MdB (Die Linke)
Einig waren sich speziell die Medienvertreter bei der Frage nach Strategien im Umgang mit dem Internet im Hinblick auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der Verlage. Schwennicke meinte: „Die Verlage sind in der Vergangenheit naiv mit der Frage Internet umgegangen. Alles kostenfrei anzubieten, war ein Fehler. Leistung muss wieder bezahlt werden.“
Das Resümee der ersten Diskussionsrunde lautete schließlich: Wirtschaft und Medien müssen gemeinsam Qualität am Markt wieder durchsetzen. Stennei brachte dabei den Kern des Problems auf den Punkt: „Die Presse kann nicht die Welt retten. Wir haben ein gesellschaftliches Problem, das sich auch in der Presse widerspiegelt, aber nicht umgekehrt.“ Und Bartsch ergänzte: „Geringe Auflage, geringe Wahlbeteiligung. Wir alle haben eine gemeinsame Verantwortung.“
Verhältnis zwischen Wirtschaft und Medien gestört?
Die zweite Runde leitete Prof. Dr. Michael Hüther, Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft, mit einer Keynote-Ansprache ein. Er stellte die These auf: „Die Wirtschaft ist für die Medien eine besondere Zumutung: inhaltlich wegen der Komplexität, normativ im Lichte konfligierender Paradigmen, politisch durch den eigenen Gestaltungsanspruch.“

© BLL/Sandra Ritschel
Prof. Dr. Michael Hüther, Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft, bei seiner Keynote zum Diskussionsthema „Zwischen Aufklärung und Skandalisierung – das Verhältnis zwischen Wirtschaft und Medien“
Zum Download: Keynote von Prof. Dr. Michael Hüther
Die anschließende Diskussion unter dem Titel „Zwischen Aufklärung und Skandalisierung – das Verhältnis zwischen Wirtschaft und Medien“ eröffnete Nikolaus Blome, Mitglied der Chefredaktion bei SPIEGEL und SPIEGEL Online, mit einem Ratschlag: „Journalisten arbeiten 24 Stunden rund um die Uhr – darauf müssen sich Industrie und Wissenschaft mit ihrer Arbeit einstellen“.

© BLL/Sandra Ritschel
Nikolaus Blome (links im Bild), Leiter des Hauptstadtbüros von Spiegel und Spiegel Online, und Prof. Dr. Michael Hüther, Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft
Dr. Ursula Weidenfeld, Wirtschaftsjournalistin, bestätigte Prof. Dr. Hüthers These zumindest teilweise und erklärte den Trend zur Reduzierung von komplexen Inhalten auf Personen oder Bilder am Beispiel des Freihandelsabkommens: „Das Chlorhühnchen ist eine Vignette, die auf das Thema Freihandelsabkommen geklebt wurde, so dass der Sachverhalt auch für den Verbraucher handhabbar wird.“
Merlin Koene, Communications Director bei Unilever, sieht das Verhältnis von Wirtschaft und Medien, das Ulrike Hinrichs, Geschäftsführerin des Bundesverbands deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften e. V., zuvor als „maximal gestört“ bezeichnet hatte, darin begründet, dass Foodbashing zum Geschäftsmodell geworden sei: „Bei vielen Themen werden wir im Gegensatz zu NGOs nicht gehört, weil es nicht in die Story passt.“ Blome räumte daraufhin ein, dass Nichtregierungsorganisationen es in der Tat geschafft hätten, sich zu einer moralischen Instanz zu entwickeln, die selten hinterfragt würde: „Das Hinterfragen sollte man zugegebener Maßen zweimal häufiger tun.“

© BLL/Sandra Ritschel
Auf dem zweiten Podium saßen (von links nach rechts): Merlin Koene, Ulrike Hinrichs, Christoph Murmann (Moderator), Dr. Ursula Weidenfeld, Nikolaus Blome und Prof. Dr. Michael Hüther
Industrie muss selbstbewusster auftreten
Das dritte Panel wurde durch Dr. Wolfram Weimer, Verleger und Publizist, mit einer Keynote, u. a. zur Kraft der Bilder, eingeleitet und der Aufforderung an die Lebensmittelbranche, selbst Medien zu betreiben und aktiver zu kommunizieren. Seine Mitdiskutanten Gitta Connemann, Vorsitzende des Bundestagsauschusses für Ernährung und Landwirtschaft, Udo Pollmer, Lebensmittelchemiker, Patrick Kammerer, Director Public Affairs und Communications Coca-Cola Deutschland und Micha Heilmann von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten stimmten im voll zu.

© BLL/Sandra Ritschel
Das dritte Podium bildeten (von links nach rechts): Udo Pollmer, Micha Heilmann, Patrick Kammerer, Christoph Murmann (Moderator), Gitta Connemann und Dr. Wolfram Weimer
Pollmer: „Die Industrie muss selbstbewusst ihre Positionen vertreten und sich nicht länger verstecken.“ Connemann ergänzte: „Wenn ich Süßigkeiten herstelle, muss ich dazu stehen, dass ich ein schmackhaftes Genussprodukt verkaufe und nicht so tun, als sei es Brokkoli.“ Die Politikerin hatte auch eine Lösungsstrategie parat: „Die Branche muss füreinander einstehen und gemeinsam auftreten. Deshalb ist es wichtig, dass es einen Spitzenverband wie den BLL gibt, der diese Koalition anführt.“

© BLL/Sandra Ritschel
Gitta Connemann, MdB (Vorsitzende des Bundesausschusses für Ernährung und Landwirtschaft, CDU/CSU)
Mediendialog als Auftakt für weitere Diskussionen
Mit dem Mediendialog Lebensmittel regte der BLL eine Diskussion über fehlenden Wirtschaftsjournalismus in den öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten an. Im Nachgang der Veranstaltung forderte BLL-Hauptgeschäftsführer Christoph Minhoff die Intendanten von ARD und ZDF zum Dialog auf: „Wir brauchen einen sachgerechten Wirtschaftsjournalismus in diesem Land, um Verständnis und Akzeptanz für die Wirtschaft zu fördern. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk muss seinem Bildungssauftrag in dieser Frage gerecht werden“.