So will Foodwatch Verbraucherverwirrung zementieren
Ende 2019 hatte der Lebensmittelverband Deutschland mit Blick auf ernährungswissenschaftliche, rechtliche und gesundheitspolitische Aspekte notwendige Rahmenbedingungen für die erfolgreiche Einführung des Nutri-Score auf freiwilliger Basis formuliert, diese dem Bundesernährungsministerium übermittelt und auch für jeden einsehbar veröffentlicht. Im Bereich Ernährung ging es darum, Widersprüche zu allgemeinen Ernährungsempfehlungen aufzulösen, z.B. mehr Pflanzenöle zu berücksichtigen, ungesättigte Fettsäuren zu berücksichtigen, Vollkornprodukte differenziert zu betrachten und energiefreie Getränke wie etwa ungesüßte Kräuter- und Früchtetees mit Wasser gleichzustellen. Diese Forderungen haben die Wissenschaftlerinnen des MRI grundsätzlich und weitgehend unterstützt, wie ein Schreiben zeigt. Und nicht nur in Deutschland haben Politik, Wissenschaft und Wirtschaft mit Blick auf allgemeine Ernährungsempfehlungen Anpassungsbedarf des Algorithmus erkannt. Auch in den Niederlanden hat die Regierung entschieden, den Nutri-Score erst zu empfehlen, wenn die entsprechenden Anpassungen erfolgt sind. Nachbesserungsbedarf wird auch in Spanien, Belgien, der Schweiz und auch in Frankreich selbst angemeldet.
Die Kampagnenorganisation Foodwatch hingegen arbeitet mit Hochdruck daran, Diskussionen über Anpassungen des Nutri-Score-Brechnungsalgorithmus an allgemeine Ernährungsempfehlungen im Keim zu ersticken. Dazu hat die Campaigning-Organisation eine neue Kampagne gestartet, die vom Lebensmittelverband Deutschland gegenüber dem Max-Rubner-Institut geäußerte Kritikpunkte – die diese in großen Teilen als ernährungsphysiologisch sinnvoll bestätigt hat – als bloße „Strategie“ und „unwissenschaftlich“ zu diskreditieren.
Diese 8 Beispiele zeigen Nutri-Score-Bewertungen nach dem bestehenden Algorithmus – Für Foodwatch kein Anlass zur Diskussion
Beispiel 1: Lachs
Beispiel 2: Käse
Beispiel 3: Olivenöl
Beispiel 4: Salat mit ungesättigten Fettsäuren
Beispiel 5: Apfelkompott und Apfelsaft
Beispiel 6: Früchtetee
Beispiel 7: Müsli mit hohem Ballaststoffanteil
Beispiel 8: Knäckebrot mit Kernen, Ölsaaten und Samen
Foodwatch tut so, als gäbe es eine deutsche Einflussnahme
Dabei scheint die Kampagnenorganisation die Diskussion um Anpassungen des französischen Systems, das auch in weiteren europäischen Ländern genutzt wird, allein national regeln zu wollen. Die wissenschaftliche Einschätzung des MRI wird von Foodwatch als abschließende Bewertung kommuniziert. Vom MRI als „ohne Handlungsbedarf“ bewertete Änderungsforderungen des Lebensmittelverbands bezeichnet Foodwatch als „unwissenschaftlich“. Änderungsforderungen, die das MRI als „ernährungsphysiologisch sinnvoll“ bezeichnet, spart Foodwatch sogar ganz in der Kampagne aus, da die Diskussion darüber wohl unbequem und mühsam ist und nicht zum Campaigning passt. Dabei darf nicht vergessen werden, dass der Nutri-Score ein französisches System ist und nur der Markeninhaber in Frankreich Änderungen vornehmen kann. Dies kann nicht in Deutschland geregelt werden.
Fazit: Wie Foodwatch Campaigning betreibt
Weder die deutschen Verbände der Lebensmittelwirtschaft, noch das BMEL, noch das MRI können den Nutri-Score-Algorithmus verändern. Gleichwohl wird von Foodwatch der Anschein erweckt, dem gehöre es Einhalt zu gebieten. Dazu versucht Foodwatch die offene Debatte über den Nutri-Score so darzustellen, als werde heimlich und im Hinterstübchen zwischen Lobby, Ministerium und MRI verhandelt. Und obwohl es das beschriebene Szenario gar nicht gibt, tut Foodwatch so, als herrsche Gefahr im Verzug. Die NGO erfindet ein nationales Geschehen und nationale Einflussmöglichkeiten, die es nachweislich nicht gibt, weil mögliche Optimierungen des Nutri-Score ein französischer und bald ein europäischer Prozess sind.
Übrigens: Dass Foodwatch in Kampagnen mit absichtlichen Auslassungen, Halbwahrheiten und auch Falschaussagen arbeitet, hat eine Analyse einer anderen Kampagne zu Pflanzenschutzmitteln erst kürzlich gezeigt (Hier nachzulesen).