Interview mit Ernährungswissenschaftlerin Antje Preußker

Weltgesundheitstag – Für wen sind Nahrungsergänzungsmittel sinnvoll?

- 25 Prozent der Erwachsenen nehmen laut Deutscher Gesellschaft für Ernährung regelmäßig Nahrungsergänzungsmittel zu sich. Aber ist das gesund? Was sind eigentlich Nahrungsergänzungsmittel und wer sollte sie nehmen?
Pyramide aus verschiedenen Lebensmitteln

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Interview mit Ernährungswissenschaftlerin

Frau Preußker, was sind eigentlich Nahrungsergänzungsmittel?
Antje Preußker: Nahrungsergänzungsmittel sind Lebensmittel, die, wie der Name ja schon sagt, die Ernährung des Einzelnen mit Vitaminen, Mineralstoffen und sonstigen Stoffen, wie zum Beispiel Ballaststoffen oder Pflanzenstoffen sinnvoll ergänzen können. Sie enthalten Nährstoffe in konzentrierter und dosierter Form und werden zum Beispiel als Kapseln, Tabletten oder Pulverbeutel angeboten.

Nahrungsergänzungsmitteln eilt nicht unbedingt ein guter Ruf voraus. Ist der begründet?
Antje Preußker: Nein, denn Nahrungsergänzungsmittel sind eine sinnvolle Ergänzung nach individuellem Bedarf und Lebensumständen. Natürlich ist eine ausgewogene Ernährung entscheidend, aber vielen von uns gelingt das in der Praxis eben oft nicht und daraus können sich nachweislich Versorgungslücken mit Vitaminen und Mineralstoffen ergeben. Die Gründe sind vielseitig, so werden bestimmte Lebensmittel nicht vertragen, nicht gemocht oder abgelehnt, weil man sich zum Beispiel vegan ernähren möchte. Und diesen Lücken kann man mit Nahrungsergänzungsmitteln vorbeugen. Und der Verbraucher kann darauf vertrauen, dass Nahrungsergänzungsmittel in Deutschland sichere Lebensmittel sind, denn sie unterliegen umfangreichen gesetzlichen Bestimmungen und behördlichen Kontrollen.

Also sollten vor allem Senioren Nahrungsergänzungsmittel zu sich nehmen?
Antje Preußker: Nahrungsergänzungsmittel sind definitiv eine Option, die Versorgung mit wichtigen Nährstoffen auch im Alter sicher zu stellen, ganz besonders bei denjenigen, die pflegebedürftig sind. Laut der Nationalen Verzehrstudie II sind über Dreiviertel der Älteren in Pflegeheimen mit Vitamin C, D, E und Folat unterversorgt. Hier können Nahrungsergänzungsmittel helfen und so einen Beitrag für den Erhalt der Mobilität und der geistigen Leistungsfähigkeit leisten. Grundsätzlich gilt: Nahrungsergänzungsmittel können all denjenigen helfen, für die es schwierig ist, eine ausreichende Nährstoffzufuhr im Alltag sicher zu stellen. Welche Produkte für den Einzelnen von Nutzen sein können, ist abhängig von vielfältigen Faktoren, insbesondere von der individuellen Ernährungsweise. Im Zweifelsfall empfiehlt sich die Rücksprache mit Ärztinnen, Apothekerinnen oder Ernährungsberaterinnen.

Sie sagen, viele von uns weisen Versorgungslücken auf – welche denn zum Beispiel?
Antje Preußker: Laut DGE-Ernährungsbericht ist die allgemeine Versorgung mit Vitaminen und Mineralstoffen in Deutschland im Durchschnitt gut. Das sagt aber nichts über die Versorgung des Einzelnen aus. Auch wenn ein manifestierter Vitaminmangel in Deutschland tatsächlich eher die Ausnahme sein sollte, sind doch Teile der Bevölkerung nachweislich unterversorgt. Beispielsweise sind rund 60 Prozent der deutschen Erwachsenen nicht ausreichend mit Vitamin D versorgt. Aber laut der Nationalen Verzehrstudie nehmen zum Beispiel auch rund 30 Prozent der Deutschen zu wenig Vitamin C zu sich. Außerdem gibt es einzelne Mikronährstoffe, bei denen die Versorgung schon im Durchschnitt kritisch ist. Das sind zum Beispiel Folat, Calcium, Jod und bei jungen Frauen vor allem Eisen.

Und was kann das für Folgen haben?
Antje Preußker: Je nachdem, um welchen Nährstoff es sich handelt, kann eine dauerhafte Unterversorgung durchaus gesundheitliche Folgen haben – auch für die Gesellschaft. Zu wenige Omega-3-Fettsäuren sind zum Beispiel ein Risikofaktor für die Entwicklung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Das Marktforschungsunternehmen Frost & Sullivan hat den möglichen gesellschaftlich-ökonomischen Nutzen einer breitangelegten Nahrungsergänzung mit Omega-3-Fettsäuren untersucht. Die Studie hat ergeben, dass in Europa 1,5 Millionen Krankenhausaufenthalte innerhalb von fünf Jahren bei über 55-Jährigen vermieden werden könnten, wenn man die Nährstoffversorgung mit Omega-3-Fettsäuren verbessern würde. Das würde mit Einsparungen von Gesundheitskosten in Höhe von 13 Milliarden Euro pro Jahr einhergehen.

Sie sprachen davon, dass auch 60 Prozent der Deutschen mit Vitamin D unterversorgt sind. Wie kommt das zustande?
Antje Preußker: Vitamin D ist ein wichtiger Nährstoff, der viele wichtige Funktionen in unserem Körper hat– von der Knochengesundheit bis zum Immunsystem - aber Vitamin D ist nur in wenigen Lebensmitteln vorhanden. Es kann zwar vom Körper selbst gebildet werden. Voraussetzung hierfür ist aber ausreichend Sonnenlicht – und das ist in unseren Breitengraden eben oftmals schwierig. Vor allem im Winter ist wegen mangelnder UV-Licht-Einstrahlung in Deutschland die Vitamin-D-Produktion über die Haut nicht ausreichend. Das betrifft nachweislich alle Bevölkerungsgruppen, aber ganz besonders Senioren.

Noch mehr Infos gibt’s unter https://www.nahrungsergaenzungsmittel.org.