Interview mit dem Max Rubner-Institut

Nationales Ernährungsmonitoring: Einblicke in unser Essverhalten

- Im Interview über das nationale Ernährungsmonitoring (nemo) erklärt das Max Rubner-Institut (MRI), warum Ernährung und Bewegung untrennbar verbunden sind, was Verbraucherinnen und Verbrauchern beim Lebensmittelkauf wichtig ist und wo Wissenslücken bestehen.
Frisches Gemüse, fällt in weiße Schüssel, Salatzutaten, schweben, heller blauer Hintergrund

Bunte Salatzutaten, Salat, Tomaten, Paprika, Avocado, Karotten, Zwiebeln, fallen in eine weiße Schüssel, heller blauer Hintergrund

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Was ist das übergeordnete Ziel des nationalen Ernährungsmonitorings (nemo)?

Übergeordnetes Ziel von nemo ist die Erhebung repräsentativer Daten über das Ernährungsverhalten der Bevölkerung in Deutschland. Dies geschieht durch die Kombination von quantitativer Abfrage des Lebensmittelverzehrs, Berechnung der daraus resultierenden Nährstoffzufuhr und Laboranalysen in Bioproben (Blut und Urin) zur Abschätzung des Versorgungsstatus für ausgewählte Nährstoffe.

Befragungen zu ausgewählten Ernährungsthemen vervollständigen das Bild. Primärer Zweck ist die wissenschaftsbasierte Politikberatung.

 

Welche wesentlichen Unterschiede gibt es zwischen der „Onlinebefragung Erwachsene“ und „Onlinebefragung kids/family“ im nemo-Projekt? 

Die Studien sprechen verschiedene Altersgruppen an und haben zudem unterschiedliche inhaltliche Schwerpunkte. Beispielsweise waren im Fragebogen für Erwachsende im Gegensatz zu dem für die Kinder Fragen zu pflanzenbetonter Ernährung, Ernährungsarmut, Foodsharing oder Lebenszufriedenheit enthalten. Umgekehrt sind im Fragebogen für die Kinder Angaben zur Teilnahme an Früherkennungsuntersuchungen, Bildschirmnutzung, Schlafdauer sowie Stillen und Beikost (nur bei Kleinkindern) vorgesehen, die bei Erwachsenen nicht abgefragt wurden.

 

Nur 27 Prozent erreichen die WHO-Empfehlung für Bewegung – sehen Sie Ernährung und Bewegung als zwei untrennbare Themen, die stärker gemeinsam adressiert werden sollten?

Zu einem gesundheitsförderlichen Lebensstil gehört eine ausgewogene Ernährung und ausreichend Bewegung. Besonders deutlich wird dies am Beispiel von Adipositas: Körperliche Aktivität beeinflusst den Energiebedarf und somit, wieviel wir essen müssen (oder dürfen), um diesen Energiebedarf zu decken. Nehmen wir über unsere Ernährung langfristig mehr Energie auf, als wir benötigen, entsteht, vereinfacht dargestellt, Übergewicht bzw. Adipositas.

 

Geschmack und Frische sind fast allen wichtig, Nachhaltigkeitskriterien wie ökologische Erzeugung oder Verpackungsvermeidung dagegen deutlich weniger. Wie erklären Sie diesen Unterschied?

Den Geschmack eines Lebensmittels und die Frische eines Produktes kann jeder und jede selbst wahrnehmen und beurteilen. Das ist bei Kriterien wie „Nachhaltigkeit“ oder beispielsweise auch „Fairness“ nicht so. Die Beurteilung entzieht sich der eigenen Wahrnehmung. Man ist auf die Bewertung von Dritten oder entsprechendes Hintergrundwissen angewiesen. Abgesehen davon, wird eine Kaufentscheidung für das wohlschmeckende Produkt beim Verzehr direkt belohnt. Wenn die Entscheidung für das „nachhaltig produzierte“ Lebensmittel gefallen ist, haben der Käufer und die Käuferin dagegen keinen unmittelbaren Nutzen.

 

Fast die Hälfte stuft die eigene Ernährung als (eher) gesund ein. Wie haben Sie „gesund“ und „ungesund“ definiert und was verstehen die Verbraucherinnen und Verbraucher darunter? 

In der Online-Befragung nemo Erwachsene wurde den Befragten keine Definition dessen gegeben, was eine gesunde Ernährung ausmacht. Stattdessen wurden die Teilnehmenden gebeten, ihre Ernährung selbst einzuschätzen und zu spezifizieren, woran sie diese Bewertung festmachen. 

Diejenigen, die ihre Ernährungsweise als „sehr gesund“ oder „eher gesund“ einschätzten, machten dies oft am häufigen Verzehr von Obst und Gemüse fest. Die Befragten, die ihre Ernährungsweise als weder „gesund“ noch „ungesund“ bewerteten, berichteten, viel Obst und Gemüse zu essen, aber auch das, worauf sie Lust haben – ob „gesund“ oder „ungesund“. Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die ihre Ernährung hingegen als „eher nicht gesund“ oder „überhaupt nicht gesund“ einschätzten, gaben häufig an, dass sie zu wenig Obst und Gemüse, aber viel Fleisch, Fertigprodukte und Süßes essen.

 

Wonach haben Sie die Lebensmittelgruppen ausgewählt – Fertiggerichte sind zum Beispiel nicht dabei? 

Der Verzehr von Fertiggerichten (Tiefkühl-Fertiggerichte, Tiefkühl-Pizza, Fertiggerichte aus der Dose/Tüte oder Fertiggerichte für die Mikrowelle) wurde abgefragt, dagegen wurde der tägliche Verzehr nicht abgefragt.

Mit der Auswahl der Lebensmittel- bzw. Produktgruppen sollten verschiedene Aspekte beleuchtet werden, z.B. die Verwendung von verarbeiteten Produkten, die Relevanz von Kriterien wie Nachhaltigkeit, der Verzehr pflanzlicher und tierischer Lebensmittel usw. Entsprechend wurden die Lebensmittelgruppen ausgewählt.

 

Wie schätzen Sie das Ernährungswissen in der Bevölkerung ein – wo sehen Sie die größten Wissenslücken?

Die Ergebnisse der Online-Befragung reihen sich in die bisherigen wissenschaftlichen Erkenntnisse ein. Demnach ist der Kenntnisstand der Bevölkerung zur Ernährung im Durchschnitt eher gut. Daraus resultiert nicht zwingend eine gute, also ausgewogene Ernährung. Dafür gibt es viele Ursachen, nicht zuletzt spielt die sogenannte „Ernährungsumgebung“ eine Rolle. Wenn die Ernährungsumgebung, zu der ebenso ein Wasserspender in der Schule gehört, wie ein ausgewogenes Essensangebot in der Kantine für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, so gestaltet ist, dass die „gesunde Wahl“ auch die leichte Wahl ist, wirkt sich dies auf das Verhalten der Menschen aus.

 

Nemo erhebt künftig auch gemessene Daten (z. B. Gewicht, kritische Nährstoffe). Welche zusätzlichen Erkenntnisse erwarten Sie davon, die über Befragungsdaten hinausgehen?

Zunächst wird in der Verzehrserhebung so präzise wie möglich der gesamte Lebensmittelverzehr der Teilnehmenden mengenmäßig erfasst (die Menge wurde in der Online-Befragung nicht erfasst). Zusammen mit den Messdaten zu Körpergewicht und -größe, dem Versorgungsstatus bei ausgewählten Nährstoffen und ggf. weiteren Parametern lässt sich abschätzen, wie sich die Bevölkerung im Durchschnitt ernährt, welche Ernährungsgewohnheiten und -einstellungen bestehen etc. Gerade die Kombination der verschiedenen Daten (Lebensmittelverzehr, Nährstoffzufuhr, Versorgungsstatus für ausgewählte Nährstoffe, weiteres Ernährungsverhalten, anthropometrische Daten, Soziodemographie)  ist wichtig, um die Ernährungssituation in Deutschland belastbar zu beurteilen und ggf. Handlungsempfehlungen für die wissenschaftliche Politikberatung zu formulieren. Jod ist beispielsweise ein Nährstoff, dessen Versorgungsstatus über Befragungen nur unzureichend erhoben werden kann, da die Verwendung von jodiertem Speisesalz die Jodaufnahme stark beeinflusst. Die persönlichen Gewohnheiten wie das Nachsalzen von Speisen, die verwendeten Salzmengen beim Kochen etc. lassen sich in Fragebögen jedoch schlecht quantitativ erfassen, so dass hier eine Ergänzung durch die Messung von Jod in Urinproben sinnvoll sein kann. 

 

Weitere Informationen zu nemo sind auf der Website des Max Rubner-Instituts abrufbarhttps://www.mri.bund.de/de/aktuelles/meldungen/meldungen-einzelansicht/nationales-ernaehrungsmonitoring-nemo/