Position/Stellungnahme

Tierwohlcent/Tierwohlabgabe - aktueller Sachstand und Bewertung

- Das vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) den Ampelfraktionen vorgelegte Eckpunktepapier zur möglichen Finanzierung der Tierwohlabgabe über eine sogenannte Verbrauchssteuer auf tierische Produkte („Tierwohlcent“) liegt aufgrund der Kompetenz in Steuerfragen beim Bundesfinanzministerium zur Prüfung und Weiterentwicklung bzw. Konkretisierung. Das BMF steht dieser Finanzierungsoption dem Vernehmen nach allerdings skeptisch gegenüber. Die Diskussionen dazu zwischen den Ressorts und innerhalb der Regierungsfraktionen dauern daher an.

Einleitend bezieht sich das Papier auf die im Februar 2020 von der sog. Borchert-Kommission vorgestellten Empfehlungen zum erforderlichen Umbau und möglichen Finanzierungsmodellen in der Nutztierhaltung. Der jährliche Bedarf für den Umbau der Tierhaltung wird auf etwa vier Milliarden Euro beziffert (lt. Empfehlung der Borchert-Kommission 2020). Bisher steht genehmigt lediglich eine Milliarde Euro für vier Jahre bereit. Innerhalb der Lebensmittelwirtschaft ist es unstreitig, dass für den Umbau der Tierhaltung eine langfristige Investitionssicherheit und eine erhebliche finanzielle Unterstützung der Tierhalter notwendig ist. Mit Blick auf die Auswahl des angemessenen Finanzierungsmodells bestehen aber durchaus differenzierte Auffassungen.

Vom BMEL vorgeschlagen wird als Alternative zu einer Erhöhung der Mehrwertsteuer die Einführung einer Verbrauchssteuer auf bestimmte tierische Produkte (Fleisch und Fleischprodukte) im Sinne der Abgabenordnung. Im Konzept des BMEL für die Verbrauchsteuer heißt es, die Höhe des Steuersatzes sei politisch zu entscheiden. Bei einer Podiumsdiskussion auf der Biofach-Messe in Nürnberg hat sich BMEL-Staatssekretärin Ophelia Nick (Grüne) am 14. Februar 2024 erstmals konkreter zur Höhe des zum geplanten Tierwohlcents geäußert. Es sei möglich, dass es bei der Verbrauchsteuer auf 20 oder 30 Cent pro Kilogramm Fleisch hinauslaufen werde.

Im Kern der aktuell sehr kontrovers geführten Debatte steht die Frage, inwieweit eine Verbrauchsteuer auf Fleisch und Fleischprodukte, so wie sie das BMEL ins Spiel gebracht hat, tatsächlich der Landwirtschaft zugutekommen kann. Denn die Einnahmen aus einer Steuer auf Fleisch wären nicht zweckgebunden und würden in den allgemeinen Bundesetat fließen. Dies ließe auch eine anderweitige Verwendung der aus dem Tierwohlcent generierten Mittel zu. Eine Zweckbindung der Verbrauchssteuer stieße voraussichtlich auf EU-rechtliche Schranken. Darüber hinaus werden in national wirkenden steuerlichen Mehrbelastungen und einer damit verbundenen Verteuerung der betroffenen Produkte wirtschaftliche und wettbewerbliche Nachteile für nationale Produzenten und die Wertschöpfungskette insgesamt gesehen. Diese rechtlichen und wirtschaftlichen Aspekte gilt es in der laufenden politischen Diskussion angemessen zu berücksichtigen.

Nach Auffassung des Lebensmittelverbandes ist eine wirkliche inhaltliche Bewertung und eine zielführende Diskussion innerhalb der breiten Mitgliedschaft erst möglich, wenn ein konkreter Vorschlag zur rechtlichen Ausgestaltung einschließlich detaillierter Ausführungen zu Höhe und Durchsetzungsstrategie der Tierwohlcents bzw. des politisch angestrebten Finanzierungsmodells vorliegt.