Kommentar von Christoph Minhoff zur Einführung der Zuckersteuer in Großbritannien

Die Zuckersteuer ist eine staatliche Zwangsdiät

- In Großbritannien gibt es jetzt eine Zuckersteuer. Aber macht sie die Menschen wirklich dünner, oder ist sie vielmehr eine Zwangsdiät für ökonomisch Benachteiligte? Ein Kommentar von Christoph Minhoff.

Christoph Minhoff, Hauptgeschäftsführer des Spitzenverbands der Lebensmittelwirtschaft BLL

Christoph Minhoff, Hauptgeschäftsführer des Spitzenverbands der Lebensmittelwirtschaft BLL

© BLL/Matthias Martin
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Seit Freitag gilt in Großbritannien eine Herstellerabgabe für zuckergesüßte Softdrinks. Aber macht eine solche Zucker-Strafsteuer die Menschen wirklich dünner, oder ist sie vielmehr eine staatliche Zwangsdiät für ökonomisch Benachteiligte? Ein Kommentar von BLL-Hauptgeschäftsführer Christoph Minhoff.

Zucker-Bashing ist „in“. Süßes Gift, braucht kein Mensch, macht krank. Das kannte ich schon. Heute morgen hörte ich im Radio in einem Kommentar „Kinder-Koks“. Ja, geht’s noch? Was kommt als nächstes, Warnhinweise auf dem Zuckerstreuer im Café? Jetzt mal die Fakten: Zucker ist ein Nährstoff, Energielieferant und Treibstoff fürs Gehirn. Deshalb merkt man auch sofort, wer auf Zucker verzichtet – denn ohne Treibstoff setzt das Gehirn zuweilen aus… Zucker ist zudem ein Naturprodukt, meistens aus der regionalen Zuckerrübe, er ist Geschmacksträger, die süßende Zutat für süße Lebensmittel und das Würzmittel für Herzhaftes. Zucker macht in Maßen genossen – so wie jeder andere Stoff auch – weder krank noch dick. Zucker gehört zum Leben dazu.

Dick wird, wer mehr Kalorien zu sich nimmt als er verbraucht. Das hat was mit Ernährung UND Bewegung zu tun. Und dick heißt noch lange nicht krank. Ob ein Mensch gesund ist oder nicht, hängt nicht automatisch von seinem Körpergewicht oder gar dem Body-Mass-Index ab. Viele Faktoren wie Bewegungs- und Schlafverhalten, Stress, Gene und vieles mehr haben Einfluss auf die Gesundheit. Deshalb ist ein „normales“ Gewicht kein Garant für Gesundheit, ebenso wenig wie Übergewicht mit Krankheiten gleichzusetzen ist.

Herstellerabgabe ist gleich Zuckersteuer

Es ist daher atemberaubend, was unsere freiheitsliebende Gesellschaft sich alles gefallen lassen will unter dem Deckmäntelchen der Übergewichtsprävention. Seit dem 6. April gibt es in Großbritannien eine Strafsteuer auf Zucker in Erfrischungsgetränken (bei mehr als 5 Gramm Zucker pro 100 ml müssen die Hersteller eine „Abgabe“ zahlen). Aber wer jetzt denkt, dass damit sein ideologisches Feindbild der internationalen Großkonzerne „bestraft“ würde, der hat den Markt nicht verstanden. Erstens besteht die Lebensmittelindustrie zu 90 Prozent aus kleinen und mittelständischen Unternehmen, das heißt, es sind die kleinen, regionalen Mineralbrunnen, die hier besonders hart getroffen werden. Und zweitens ist im Endeffekt diese Herstellerabgabe nichts anderes als eine Zuckersteuer, denn Unternehmen müssen, um wirtschaftlich arbeiten zu können, höhere Kosten umlegen. Heißt, Sie, die Verbraucherinnen und Verbraucher, zahlen mehr.

Limonade der neue Champagner?

Eine Strafsteuer auf Nährstoffe wie Zucker oder auch Fett ist nichts Weiteres als eine staatliche Zwangsdiät für ökonomisch Benachteiligte. Zucker und Fett können sich nur noch die Reichen leisten. Kaviar und Champagner waren gestern, jetzt geht’s um Limonade und Schokoladencreme. Und wer sagt eigentlich, dass es nicht auch Ausweicheffekte gibt? Menschen sind unberechenbar und verhalten sich selten so wie in Modellrechnungen gewünscht. Dann wird eben statt des Markenprodukts die Handelsmarke vom Discounter gekauft. Das Ende der Markenvielfalt? Das Ende der Lebensmittelvielfalt!

Und wem das nicht genug ist, der folgt der Argumentation der Campaigner von Foodwatch. Die wollen eine Strafsteuer nämlich nicht nur auf Zucker, sondern auch auf Süßstoffe ausweiten. Weil die Hersteller von Erfrischungsgetränken auf der Insel folgendes gemacht haben: in aufwendigen Forschungs- und Entwicklungsverfahren wurde der Zuckergehalt der Limonaden auf 5 Gramm pro 100 ml gesenkt, damit man die Abgabe nicht zahlen muss und in der Folge seinen Kunden den gleichen Preis weiterhin anbieten kann. Doch wenn Zucker raus ist, muss ja etwas anderes rein, damit der bekannte und bei den Kunden beliebte Geschmack weitestgehend erhalten bleibt.

Willkommen in der faden Welt des Einheitsgeschmacks

Bei flüssigen Lebensmitteln heißt der süße Ersatz in der Regel Süßstoff. Oh Schreck oh Graus – das geht ja gar nicht, meint Foodwatch. Man musste nicht einmal die Uhr danach stellen, denn Süßstoffe werden von den Campaignern präventiv gleich mitkritisiert. Das langfristige Ziel müsse doch sein, die Menschen von dem süßen Geschmacksvorlieben wegzukriegen. Und das funktioniert nur, wenn die Regierung hier gesetzliche Vorgaben macht. Also, nix Zucker, nix Süßstoff. Willkommen in einer entsüßten Welt! Eine Welt des faden Einheitsgeschmacks. Es ist schon spannend, welche Allmachtsfantasien sich das 19-köpfige Team von Foodwatch so vorstellen kann.

Ich wiederhole mich gerne und erinnere an Paracelsus und die Dosis, die das Gift macht. Das richtige Maß muss jeder für sich selbst finden. Wie? Ganz einfach? Achten Sie aufs Etikett! Auf jedem verpackten Lebensmittel ist eine Nährwerttabelle aufgedruckt, die klar anzeigt, wie viel Zucker in 100 Gramm oder 100 ml des Lebensmittels enthalten sind. Da muss niemand raten, auch wenn das Max-Planck-Institut Ihnen einreden will, dass Sie nur gute Eltern sein können, wenn Sie den Zuckergehalt von Joghurts richtig einschätzen können. Das ist nicht nur vollkommener Quatsch, sondern unverantwortlich. Sie müssen nicht in die Glaskugel gucken, sondern einfach nur lesen!

Lassen Sie sich nichts einreden und genießen Sie auch die süßen Momente des Lebens!