Position/Stellungnahme

Zweite Stellungnahme zum Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches sowie anderer Vorschriften

- Der Lebensmittelverband Deutschland hat eine ergänzende Stellungnahme zum Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des LFGB sowie anderer Vorschriften veröffentlicht. Sie bezieht sich auf die am 22. Mai 2020 übersandte neue Fassung.

Allgemeine Anmerkungen

Der Lebensmittelverband Deutschland hat am 14. Februar 2020 bereits umfassend zum Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches sowie anderer Vorschriften Stellung genommen. Die darin gemachten Anmerkungen haben weiterhin Bestand. Die vorliegende, ergänzende Stellungnahme bezieht sich auf die uns am 22. Mai 2020 übersandte neue Fassung des § 44 Abs. 3 LFGB. Im Übrigen verweisen wir auf die Stellungnahmen unserer Mitgliedsverbände.

Dabei ist erneut zu betonen, dass die stichprobenweise Überprüfung der Maßnahmen der Eigenkontrolle und die Bewertung ihrer Wirksamkeit aus Sicht der deutschen Lebensmittelwirtschaft völlig zu Recht durch die staatliche Ebene erfolgt und als ergänzende „Kontrolle der Kontrolle“ unverzichtbar sind. Aus diesem Grunde sind nach Auffassung des Lebensmittelverbands Deutschland eine hoch qualifizierte, effizient arbeitende und personell wie finanziell gut ausgestattete amtliche Lebensmittelüberwachung und ein bundes- sowie EU-weit einheitlicher Vollzug des Lebensmittelrechts auch für die Lebensmittelwirtschaft unerlässlich.

Auch und gerade im Hinblick auf das EU-weit harmonisierte Gebot der Rückverfolgbarkeit in Art.18 Verordnung (EG) Nr.178/2002 gilt es aber im Hinblick auf die nationale Rechtsetzung wie für den Vollzug zum einen die Vorgaben des EU-Rechts, zum anderen – gerade in Zeiten der Aufarbeitung der wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Pandemie – die betrieblichen Machbarkeiten zu beachten.

Nach dem neuen Entwurf soll § 44 wie folgt geändert werden:

a) In Absatz 1 wird im einleitenden Satzteil die Angabe „§§ 41 bis 43“ durch die Angabe „§§ 42 bis 43a sowie der Delegierten Verordnung (EU) 2019/2090“ ersetzt.

b) Absatz 3 wird wie folgt geändert:
aa) Satz 2 wird wie folgt gefasst:
„Die in
1. Satz 1 oder
2. Artikel 18 Absatz 3 Satz 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002, auch in Verbindung mit Artikel 5 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 767/2009, genannten Informationen sind so vorzuhalten, dass sie der zuständigen Behörden spätestens 24 Stunden nach Aufforderung elektronisch übermittelt werden können.“

bb) Es wird folgender Satz angefügt:
„Die zuständige Behörde kann im Einzelfall Ausnahmen von den Anforderungen des Satzes 2 zulassen, soweit dies zur Vermeidung unbilliger Härten für den Lebensmittel- oder Futtermittelunternehmer geboten erscheint und es mit den in § 1 Absatz 1 Nummer 1 genannten Zwecken vereinbar ist.“

Aus den auf Nachfrage erteilten Erläuterungen des BMEL wie den Ausführungen zum Erfüllungsaufwand geht hervor, dass die „elektronisch übermittelten“ Daten künftig elektronisch lesbar bzw. auswertbar sein sollen. Dies wäre nach wörtlicher Auslegung allerdings nicht zwingend erforderlich. Vielmehr könnte das Warenwirtschaftssystem auch analog geführt werden, um dann nur die erforderlichen Daten per Mail weiterzuleiten. Es soll aber nach Auskunft des BMEL mit der Neuregelung insbesondere vermieden werden, dass bei der Rückverfolgung von Warenströmen weiterhin mühsam Rückverfolgbarkeitsinformationen "händisch" zusammengeführt werden müssen. Daran wird im Ergebnis das regelmäßige Vorhandensein eines IT-Warenwirtschaftssystems in den Unternehmen der Lebensmittelwirtschaft geknüpft. Darüber hinaus bleibt in der Begründung offen, ob die Bundesländer – was nach deren bisherigen Verlautbarungen zu vermuten ist – entgegen der bisherigen Vollzugspraxis künftig ergänzend die Vorgabe bestimmter Dateiformate für erforderlich halten und wie diese rechtlich zu rechtfertigen wären.

EU-Rechtswidrigkeit des vorgeschlagenen § 44 Abs. 3 LFGB

Wie bereits in unserer Stellungnahme vom 14. Februar 2020 betont, sind geordnete Aufzeichnungen zur Rückverfolgbarkeit und das Vorhalten eines funktionierenden Systems der Rückverfolgbarkeit auch aus Sicht des Lebensmittelverbands Deutschland ein wichtiges Instrument für ein effektives Krisenmanagement im Unternehmen, um den Behörden zügig präzise Informationen liefern zu können. Aus diesem Grunde ist den Unternehmen der Lebensmittelwirtschaft in aller Regel im eigenen Interesse sehr daran gelegen, im Krisen- bzw. Ereignisfall den Behörden der amtlichen Lebensmittelüberwachung möglichst schnell die „richtigen“ Daten zur Verfügung zu stellen, um den (eigenen) Schaden durch Ereignis- oder Krisenfälle in möglichst engen Grenzen zu halten. Der überwiegende Teil der Unternehmen hat dazu die rechtlich geforderten Rückverfolgbarkeitssysteme eingerichtet. Es ist aber nachvollziehbar, dass es ein Interesse der amtlichen Lebensmittelüberwachung gibt, einzelne „Problemfälle“ besser in den Griff zu bekommen. Dabei sind aber sowohl im Hinblick auf die nationale Rechtsetzung als auch für den Vollzug zum einen die Vorgaben des EU-Rechts, zum anderen – gerade in Zeiten der Aufarbeitung der wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Pandemie – die betrieblichen Machbarkeiten zu beachten.

Aus Sicht der deutschen Lebensmittelwirtschaft verstößt auch der vorgelegte überarbeitete Vorschlag zur Neufassung des § 44 Abs. 3 LFGB gegen die harmonisierten, materiellen rechtlichen Vorgaben in Art. 18 Verordnung (EG) Nr. 178/2002 (und Durchführungsverordnung (EU) Nr. 931/2011) und ist damit EU-rechtswidrig.

Wie bereits in unserer ersten Stellungnahme vom 14. Februar 2020 ausgeführt, wurde die Ausgestaltung der Regelungen zu Art. 18 Verordnung (EG) Nr. 178/2002 vor ihrer Verabschiedung sehr intensiv im Rechtsetzungsverfahren diskutiert. In diesem Zusammenhang wurde von Seiten der Lebensmittelwirtschaft mehrfach darauf hingewiesen, dass die (berechtigte) Zielvorgabe zur Sicherstellung der Rückverfolgbarkeit einen äußerst breiten Adressatenkreis von multinationalen Unternehmen und Großunternehmen über mittelständische Betriebe bis zu kleinen und Kleinst-Unternehmen und Direktvermarktern betrifft. Aus diesem Grunde wurde den Lebensmittelunternehmern im Hinblick auf die Ausgestaltung der Systeme und der Umsetzungswege von Seiten des EU-Gesetzgebers ganz bewusst ein gewisses Maß an Flexibilität gelassen (siehe dazu auch die als Schlussfolgerungen des Ständigen Ausschusses für die Lebensmittelkette und Tiergesundheit verabschiedeten Leitlinien für die Anwendung der Artikel 11, 12, 14, 17, 18, 19 und 20 der Verordnung Nr. 178/2002 über das allgemeine Lebensmittelrecht in der Fassung vom 26. Januar 2010, Art. 18 III.3.2. v). Es ist darum stets zwischen den rechtlichen Anforderungen zur Rückverfolgbarkeit und freiwilligen, zusätzlichen Maßnahmen zur Verbesserung der Rückverfolgbarkeit im Unternehmen zu unterscheiden.

Diese vom EU-Gesetzgeber ganz bewusst gewährte Flexibilität kann und darf nicht durch nationale Sonderregelungen pauschal für sämtliche Unternehmen eingeschränkt werden. So wird in Art. 18 III.3.2. v) der vorgenannten Leitlinien des Ständigen Ausschusses, denen die Bundesregierung zugestimmt hat, völlig zu Recht darauf hingewiesen, dass

  • „nach Artikel 18 Lebens- und Futtermittelunternehmer Systeme und Verfahren einrichten müssen, mit denen die Rückverfolgbarkeit ihrer Produkte gewährleistet ist. Einzelheiten über diese Systeme werden in dem Artikel zwar nicht genannt, die Begriffe „Systeme“ und „Verfahren“ unterstellen jedoch einen strukturierten Mechanismus, der auf Aufforderung der zuständigen Behörden die gewünschten Informationen liefern kann.
  • die Entwicklung eines Systems für die Rückverfolgbarkeit nicht notwendigerweise impliziert, dass ein Lebens- und Futtermittelunternehmer über ein spezielles System verfügen muss. Die Anforderung zur Bereitstellung von Informationen ist von Bedeutung, nicht das Format, in dem diese geführt werden. Die Aufzeichnungen zur Rückverfolgbarkeit sind so zu organisieren, dass sie auf Anforderung ohne eine unangemessene Verzögerung hinsichtlich der Anforderungen gemäß Artikel 19 verfügbar sind“.

In Art. 18 Kapitel III.3 der EU-Leitlinien wird ferner darauf hingewiesen, dass „vorbehaltlich genauerer (ergänzt: unionsrechtlicher) Einzelbestimmungen die Industrie mit diesem allgemeinen Ansatz mehr Spielraum bei der Anwendung der Vorschriften hat, wodurch voraussichtlich die durch Verstöße verursachten Kosten gesenkt werden“. Ausreichend ist auch nach der Kommentarliteratur eine Dokumentation des Warenein- und -ausgangs durch gegliederte und geordnete schriftliche Aufzeichnungen in Papierform oder in elektronischer Form (Meyer, in Meyer/Streinz, BasisVO, Art. 18, Rn. 19).

Nach dem ausdrücklichen Willen der rechtsetzenden Organe der Europäischen Union sollen danach Unternehmen, die den geforderten systematischen, d.h. strukturierten Mechanismus zur Gewährleistung der Rückverfolgbarkeit umgesetzt haben, nicht auf bestimmte (Daten-) Formate verpflichtet werden können. Dieser politische Wille wurde von der Bundesregierung im Rat ausdrücklich unterstützt. Diese Entscheidung des EU-Gesetzgebers würde durch die neu vorgeschlagene Änderung des § 44 Abs. 3 LFGB unterlaufen, da diese zwingend eine „elektronische Übermittlung“ und dem Verständnis nach die Vorhaltung eines IT-Warenwirtschaftssystems in jedem Betrieb – unabhängig von der Größe – vorschreibt. Dies beträfe dann nämlich auch sämtliche Betriebe, die die Rückverfolgbarkeitsvorgaben des Art. 18 Verordnung (EG) Nr. 178/2002 bereits EU-rechtskonform umgesetzt haben. Auch die Vorgabe eines allgemeingültigen einheitlichen Datenformats zur beschleunigten Aufklärung in Ereignis- und Krisenfällen ist rechtlich nur durch eine Änderung der unionsrechtlichen Vorgaben umsetzbar. Hieran müsste überdies die Lebensmittelwirtschaft zur Abklärung der praktischen Machbarkeit beteiligt werden.

Alternativ könnten auf EU-Ebene Mindestvorgaben für die Ausgestaltung der Rückverfolgbarkeitssysteme geregelt werden, wenn dafür nach den Erfahrungen der amtlichen Überwachung Bedarf bestünde.

In jedem Falle kann und darf die bewusst getroffene Entscheidung des EU-Gesetzgebers für eine flexible Ausgestaltung der Rückverfolgbarkeitsvorgaben in Art. 18 Verordnung (EG) Nr. 178/2002 nicht durch konträre nationale Sonderregelungen unterlaufen werden. Nicht zuletzt aus diesem Grunde hat das BMEL den § 44 Abs. 3 Satz 2 LFGB im Wortlaut so gefasst wie er heute gilt! In diesem Sinne kommentiert auch Zipfel/Rathke, § 44 LFGB, Rn. 40 mit Verweis auf Boch: „Eine Verpflichtung zur elektronischen Erfassung von Daten ergibt sich aus der Vorschrift nicht (so Boch, Das deutsche Bundesrecht § 44 LFGB Rdn. 3)“.
Politisch für notwendig gehaltene Anpassungen der harmonisierten rechtlichen Vorgaben sind daher nur auf EU-Ebene zulässig.

Auch im Hinblick auf die Reaktionszeit wurde im Wortlaut des Art. 18 Verordnung (EG) Nr. 178/2002 ganz bewusst aufgrund des heterogenen Adressatenkreises nach intensiver Diskussion im Rechtsetzungsverfahren auf die Aufnahme einer exakt bezifferten Frist verzichtet und zur Verhinderung einer unangemessenen Verzögerung von Rücknahmen bzw. Rückrufen nach Art. 19 Verordnung (EG) Nr. 178/2002 der unbestimmte Rechtsbegriff „unverzüglich“ aufgenommen. Damit sollte zum einen deutlich gemacht werden, dass die Rückverfolgbarkeitsdaten „so schnell wie möglich“ zu übermitteln sind, eine genaue zeitliche Vorgabe oder eine Maximalfrist aber den unterschiedlichen betroffenen Unternehmensgrößen und damit verbunden den unterschiedlichen Möglichkeiten nicht gerecht werden kann. Schon vor diesem Hintergrund erscheint es aus unserer Sicht EU-rechtswidrig, Unternehmen, die den geforderten systematischen, d.h. strukturierten Mechanismus zur Gewährleistung der Rückverfolgbarkeit umgesetzt haben, auf die nunmehr vorgesehene Übermittlungsfristen von „spätestens 24 Stunden“ zu verpflichten.

Die in der übermittelten Neufassung des § 44 Abs. 3 LFGB zwingend vorgeschriebenen Anforderungen der elektronischen Vorhaltung und Übermittlung der Rückverfolgbarkeitsdaten sowie der 24-Stundenfrist verstoßen damit aus Sicht der deutschen Lebensmittelwirtschaft gegen geltendes EU-Recht, zumal sie pauschal auch auf Unternehmen Anwendung finden, die bereits eigene, funktionierende Rückverfolgbarkeitssysteme gemäß Art. 18 Verordnung (EG) Nr. 178/2002 eingerichtet haben.

Wirtschaftliche Folgen bzw. fehlende Machbarkeit

Neben den vorrangigen rechtlichen Bedenken stellt sich darüber hinaus aber auch die Frage der praktischen Umsetzbarkeit bzw. Machbarkeit für sämtliche Betriebe. Wie bereits dargestellt, betrifft die (berechtigte) Zielvorgabe zur Sicherstellung der Rückverfolgbarkeit in Art. 18 Verordnung (EG) Nr.178/2002 einen äußerst breiten Adressatenkreis von multinationalen Unternehmen und Großunternehmen über mittelständische Betriebe bis zu kleinen und Kleinst-Unternehmen und Direktvermarktern. Die zwingende Anforderung einer elektronischen Vorhaltung und Übermittlung der Rückverfolgbarkeitsdaten und die damit erforderliche Einrichtung eines elektronischen Warenwirtschaftssystems wäre für kleine Betriebe, insbesondere im Bereich des Handwerks und der Gastronomie, mit erheblichen zusätzlichen Kostenbelastungen verbunden. Dabei ist festzuhalten, dass gerade diese Betriebe derzeit stark von den wirtschaftlichen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie betroffen sind und bereits ohne die mit der Neuregelung des § 44 Abs. 3 LFGB verbundenen Zusatzkosten um ihre wirtschaftliche Existenz kämpfen. Eine Verpflichtung zur Anschaffung von elektronischen Warenwirtschaftssystemen, die zudem -wie vorstehend dargestellt- auch noch EU-rechtswidrig ist, verschärft die Probleme der betroffenen Kleinbetriebe in nicht zu rechtfertigender Art und Weise.

Das derzeitige Engagement der Unternehmen zur wirtschaftlichen Bewältigung der Corona-Krise, bei dem es bei vielen um das Überleben geht, hat überdies die absoluten betrieblichen Prioritäten auf die Bewältigung des Existenzkampfes gesetzt, so dass die gewünschte, sehr kurzfristige Bewertung und Schätzung des konkreten Erfüllungsaufwandes der neuen Regelung nach den erhaltenen Rückläufen nicht im Rahmen der zeitlichen Vorgaben machbar erscheint, da die Bewältigung der Corona-Krisenfolgen absolut im Vordergrund der Unternehmen steht. Unabhängig von den vorgeschilderten rechtlichen Bedenken sollten aber ohnehin weitere, nicht gerechtfertigte Kostenbelastungen für die betroffenen Unternehmensbereiche vermieden werden.

Erhebliche Belastungen im Falle von vorgegebenen Datenformaten

Schließlich erscheint der in der Neufassung des § 44 Abs.3 LFGB gewählte Begriff „elektronische Übermittlung“ sehr unbestimmt. Nach der bisherigen Anwendungspraxis des Begriffs der „elektronischen Übermittlung“ in § 44 Abs. 3 Satz 2 LFGB bleibt die Form der elektronischen Übermittlung, d.h. die Festlegung der Datenformate, allein den übermittelnden Unternehmen überlassen. Diese Anwendungspraxis muss unter allen Umständen auch in Zukunft erhalten bleiben.

Aufgrund der bisherigen Äußerungen der Bundesländer (insbesondere der ALB-Empfehlung zur Umsetzung der Anforderungen an die Rückverfolgbarkeit) ist aber zu erwarten, dass auf Länderseite eine nähere Konkretisierung des Begriffs „elektronische Übermittlung“ durch Vorgabe von bestimmten Datenformaten angestrebt wird. Dabei ist unklar, ob jedes Bundesland, im Extremfall sogar jede Vorortbehörde selbst ein Datenformat festlegen kann oder ein bundesweit einheitliches Datenformat angestrebt wird. Unabhängig von der offenen Rechtsfrage, ob die Vorgabe von bestimmten Datenformaten mit Blick auf die Wesentlichkeitstheorie durch untergesetzliche Regelungen überhaupt rechtlich möglich ist, würde diese einen deutlich erweiterten Kreis von Unternehmen der mittelständischen Lebensmittelwirtschaft betreffen, da an den Schnittstellen der unterschiedlichen Datensysteme von Lebensmittelwirtschaft und Behörden ein erheblicher Anpassungs-aufwand entstehen dürfte, der nach den Erfahrungen der Mitteilungs- und Übermittlungsverordnung einseitig zu Lasten der Unternehmen der Lebensmittelwirtschaft gehen wird.

Wenn somit von Länderseite bestimmte Datenformate vorgegeben werden, entstehen bei einer Vielzahl von Unternehmen der deutschen Lebensmittelwirtschaft immense, aktuell unkalkulierbare Kosten für die Anpassung der bestehenden ggf. proprietären IT-Systeme bzw. die Implementierung entsprechender EDV-Schnittstellen. Ebenso unkalkulierbar ist der dafür erforderliche Zeitaufwand. Dies betrifft insbesondere Unternehmen, die bereits über IT-Systeme in der Warenwirtschaft, im Produktionsbereich und zur Chargenverfolgung verfügen.

Auch wenn theoretisch nachvollziehbar erscheint, dass verpflichtende Datenformatvorgaben von den Bundesländern im Sinne einer beschleunigten Aufklärung in Ereignis- und Krisenfällen befürwortet werden, wird eine generelle, verpflichtende Nutzung von den Bundesländern angestrebter Datenformate von der deutschen Lebensmittelwirtschaft zum einen mit Blick auf die notwendige einseitige, unverhältnismäßige Anpassung der eigenen Systeme bzw. den Übertragungsaufwand an den Schnittstellen und zum anderen die in den EU-Rechtsgrundlagen ausdrücklich gewährte Flexibilität und die unterschiedlichen Möglichkeiten und Kapazitäten der adressierten Unternehmen abgelehnt. In jedem Falle bedürfte es vor der Wegbereitung für solche Datenformatvorgaben eines intensiven Dialogs mit der Lebensmittelwirtschaft im Hinblick auf die Machbarkeit in der Praxis und einer vorherigen Erhebung des Erfüllungsaufwandes, um die Folgen und Kostenbelastungen für die (mittelständische) Lebensmittelwirtschaft realistisch abschätzen zu können.

Die in Vorschlag ebenfalls als Ausnahme vorgesehene Härtefallregelung im Einzelfall dürfte demgegenüber schon aufgrund der unbestimmten Rechtsbegriffe und des weiten behördlichen Ermessensspielraumes keine Lösung der vorstehenden Probleme bringen und damit nicht zu einer Entlastung der betroffenen Unternehmen beitragen. Vielmehr kann eine unterschiedliche Vollzugspraxis dieser Härtefallregelung zu Wettbewerbsverzerrungen führen, wenn bestimmte Unternehmen eine Ausnahme erteilt bekommen, aber vergleichbare Unternehmen in anderen Bundesländern keine Ausnahme erhalten.

Fazit

Aus den vorgenannten Gründen lehnt die deutsche Lebensmittelwirtschaft die vorgeschlagene nationale Sonderregelung zur Erweiterung der EU-einheitlich geregelten Rückverfolgbarkeitsvorgaben in § 44 Abs. 3 LFGB ab. Sie ist weder rechtlich zulässig noch erforderlich, da die Vollzugsbehörden jederzeit die Möglichkeit haben, im Einzelfall ein funktionierendes Rückverfolgbarkeitssystem in Unternehmen über ordnungsrechtliche Vorgaben einzufordern sowie durchzusetzen und so „Problemfälle“ zielgerecht auf Kurs zu bringen. Demgegenüber ist zu befürchten, dass es im Fall der Verabschiedung der vorgeschlagenen Neufassung aufgrund der EU-Rechtswidrigkeit der Norm zu zahlreichen gerichtlichen Auseinandersetzungen kommen wird, die der behördlich angestrebten Verfahrensbeschleunigung diametral zuwiderlaufen wird.