Dioxin-Fall 2010/2011: Hintergrund und Aufarbeitung

Hier finden Sie die Hintergründe und Ergebnisse der Aufarbeitung des Dioxin-Falls aus den Jahren 2010 und 2011.

Eine Packung mit 10 Eiern als Symbolbild

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Der Fall

Bei eigenbetrieblichen Kontrollen eines Mischfutterherstellers aus Niedersachsen wurden im Dezember 2010 erhöhte Dioxinwerte in dem von ihm hergestellten Mischfuttermittel entdeckt. Das verunreinigte Fett stammte von einem Futterfetthersteller aus Schleswig Holstein. Die Firma hatte eine Mischfettsäure mit hohen Dioxin-Gehalten, die für technische Zwecke – Papierherstellung – bestimmt war, unerlaubt in pflanzliche Futterfette eingemischt. Anfang Januar 2011 gab das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) bekannt, dass aus ca. 180 Tonnen dieser Mischfettsäure ca. 2.700 Tonnen Futterfett (laut Berichten des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) 2.256 Tonnen) hergestellt wurden und an 25 Futtermittelhersteller in vier Bundesländer (Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Hamburg und Sachsen) geliefert wurden. Diese wiederum belieferten verschiedene Geflügel-, Schweinemast- und Legehennenbetriebe sowie Milcherzeugerbetriebe in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Thüringen, Sachsen und Brandenburg, die die mit den verunreinigten Fetten kontaminierten Futtermittel an ihre Tiere verfütterten.

Die mit kontaminiertem Futtermittel belieferten landwirtschaftlichen Betriebe wurden identifiziert und vorsorglich gesperrt. Das BMELV meldete am 7. Januar ca. 4.700 gesperrte Betriebe. Nach und nach wurden diese Sperrungen aufgehoben, nachdem die Überwachungsbehörden Überschreitungen der Höchstgehalte in Fleisch, Eiern und Milch ausschließen konnten bzw. wenn belegt werden konnte, dass die verfütterten Partien keine überhöhten Dioxingehalte aufwiesen.

BfR: Kein gesundheitliches Risiko durch den Verzehr von Eiern und Fleisch

Im Januar 2011 gab das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) bekannt, dass kein gesundheitliches Risiko durch den Verzehr von Eiern und Fleisch auf der Basis der zu diesem Zeitpunkt ermittelten Dioxingehalte besteht.

In der Stellungnahme des BfR heißt es: "Die Überwachungsbehörden der Bundesländer haben aus betroffenen Betrieben Proben von Fleisch, Eiern und Milch auf ihren Dioxingehalt untersucht. Die ermittelten Dioxingehalte für Fleisch von Schweinen und Legehennen sowie von Eiern liegen nur bei wenigen Proben über den in der Europäischen Union festgelegten Höchstgehalten. Bei Milch und Fleisch von Mastgeflügel wurden keine Überschreitungen festgestellt. Das BfR kommt auf Grundlage seiner Risikoabschätzung zu dem Ergebnis, dass selbst wenn Eier oder Schweinefleisch mit Gehalten im Bereich der höchsten gemessenen Werte über einen längeren Zeitraum verzehrt wurden, weder eine unmittelbare noch eine langfristige gesundheitliche Beeinträchtigung für die Verbraucher zu erwarten ist." (Stellungnahme Nr. 002/2011 des BfR vom 26. Januar 2011).

Politische Aufarbeitung

Im Hinblick auf die Dioxinfunde Ende 2010/Anfang 2011 fielen die tatsächlichen Ergebnisse der Risikobewertung zur unmittelbaren und langfristigen gesundheitlichen Beeinträchtigung durch den Verzehr der belasteten Lebensmittel (siehe BfR-Pressemitteilung vom 26. Januar 2011) und das von den Medien und der Politik hervorgerufene Schreckensszenario diametral auseinander. Durch kriminelles Handeln eines einzelnen Unternehmens wurden ein erheblicher wirtschaftlicher Schaden und ein deutlicher Imageverlust für die gesamte Lebensmittelwirtschaft verursacht. Während die behördlichen Überwachungs- und Krisenmanagementmechanismen in den Bereichen Risikobewertung und Risikomanagement professionell und weitgehend vorbildlich abliefen, haben insbesondere die Kommunikationspolitik und die politische Überlagerung bzw. Instrumentalisierung der Diskussion zu einer negativen Zuspitzung des Themas in der Öffentlichkeit geführt.

Bei der politischen Aufarbeitung (BMELV-Aktionsplan vom 14. Januar 2011 und Gemeinsamer Aktionsplan der Länder und des Bundes vom 18. Januar 2011 und deren Umsetzung in Regelungsentwürfe) wurden die Transparenzgrundsätze und Mitwirkungsrechte der betroffenen Wirtschaftskreise unterlaufen, obwohl auf der Grundlage der Risikobewertung des BfR unter dem Aspekt der Lebensmittelsicherheit bzw. tatsächlicher Risiken keine Eilbedürftigkeit für die Umsetzung in gesetzgeberische Maßnahmen bestand.

Position der Lebensmittelwirtschaft

Auch die Lebensmittelwirtschaft hält eine Aufarbeitung des Dioxingeschehens, eine Beseitigung möglicher Schwachstellen innerhalb der Futtermittel- und Lebensmittelkette sowie eine angemessene Sanktionierung von nachgewiesenen kriminellen Handlungen für erforderlich. Die darauf beruhenden Maßnahmen müssen sich aber am tatsächlichen Risiko orientieren und geeignet, wirkungsvoll und notwendig sein. Sie müssen sich auf eine sachbezogene und differenzierte Analyse stützen können und dürfen nicht allein von Aktionismus getrieben sein. Nur auf diese Weise kann dem staatlich verfolgten Ziel eines "Mehr" an Futtermittel- oder Lebensmittelsicherheit tatsächlich Rechnung getragen werden.

Unter Anlegung dieses Kriteriums erscheinen mehrere auf den Gemeinsamen Aktionsplan des Bundes und der Länder gestützte Maßnahmen aus Sicht der Lebensmittelwirtschaft fragwürdig und im Ergebnis kontraproduktiv. Dies betrifft insbesondere die Ausweitung der Meldepflicht auf Labore und die Einführung einer Übermittlungspflicht sämtlicher Eigenkontrollergebnisse der Unternehmen zu unerwünschten Stoffen an die Behörden.