Hochverarbeitete Lebensmittel – vier Perspektiven auf ein umstrittenes Thema

In Medien und öffentlichen Debatten steht der Begriff „Ultra-Processed Foods (UPF)“ oft sinnbildlich für industriell hergestellte, unausgewogene Lebensmittel. Doch was sagt die Wissenschaft tatsächlich? Wie belastbar sind die zugrunde liegenden Daten? Und was genau bedeutet eigentlich „hochverarbeitet“?
Die pauschale Verurteilung von hochverarbeiteten Lebensmitteln greift zu kurz – das zeigen vier Fachbeiträge, in denen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler das Thema aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln beleuchten: ernährungsmedizinisch, technologisch, kulturwissenschaftlich und gesellschaftlich. Gemeinsam zeichnen sie ein differenziertes Bild einer Produktgruppe, die längst Teil der alltäglichen Ernährung geworden ist – und deren Bewertung mehr Sachlichkeit als Schlagzeilen verdient.
Prof. Dr. Elke A. Trautwein, Oecotrophologin, Trautwein Consulting, analysiert den aktuellen Forschungsstand zu den gesundheitlichen Auswirkungen sogenannter hochverarbeiteter Lebensmittel. Sie warnt vor vorschnellen Rückschlüssen aus Beobachtungsstudien und plädiert für mehr Differenzierung, statt alle Lebensmittel über einen Kamm zu scheren.
Prof. Dr. Gunther Hirschfelder, Lehrstuhl für Vergleichende Kulturwissenschaft an der Universität Regensburg, nähert sich dem Thema kulturhistorisch. Er zeigt, warum hochverarbeitete Lebensmittel in modernen Gesellschaften nicht nur akzeptiert, sondern auch notwendig sind – als Antwort auf Zeitmangel, Preisbewusstsein und veränderte Lebensstile. Die Kritik an verarbeiteten Lebensmitteln greift für ihn oft an den falschen Stellen.
Prof. Dr. Sascha Rohn, Institut für Lebensmittelchemie an der Technischen Universität Berlin, räumt mit gängigen Missverständnissen über moderne Lebensmittelverarbeitung auf. Für ihn ist klar: Verarbeitung bedeutet nicht automatisch ein Gesundheitsrisiko – im Gegenteil. Sie macht Lebensmittel oft erst sicher und haltbar. Was fehlt, ist eine bessere Vermittlung dieser Fakten an die Verbraucherinnen und Verbraucher.
Prof. Dr. Martin Smollich, Institut für Ernährungsmedizin am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein stellt klar: Die wissenschaftliche Evidenz für eine pauschale gesundheitliche Abwertung von hochverarbeiteten Lebensmitteln fehlt. Vielmehr sei die Gleichsetzung völlig unterschiedlicher Produkte wie Softdrinks und Vollkornbrot unter dem Label „hochverarbeitet“ nicht haltbar. Für die ernährungsphysiologische Bewertung von Lebensmitteln sei der Begriff der „UPF“ untauglich.
Vier Fachtexte, eine gemeinsame Botschaft: Hochverarbeitete Lebensmittel lassen sich nicht mit einfachen Kategorien bewerten. Wer den Diskurs versachlichen will, braucht wissenschaftliche Tiefe, technologische Kompetenz und gesellschaftliches Verständnis.