Verarbeitet, aber nicht gefährlich!
Prof. Dr. Sascha Rohn räumt mit Missverständnissen über moderne Lebensmittelverarbeitung auf. Klar ist: Verarbeitung bedeutet nicht automatisch ein Gesundheitsrisiko!

Die moderne Lebensmittelverarbeitung steht immer wieder in der Kritik, da die Verbraucherinnen und Verbraucher glauben, dass technische Eingriffe in die natürlich erzeugten Rohstoffe eine Art „Beschädigung“ darstellen, die scheinbar nur zu Ungunsten des Produktes und zu Lasten der Gesundheit der Konsumentinnen und Konsumenten gehen kann. Dem ist jedoch klar zu widersprechen, da erst die Entdeckung der Verarbeitung von Lebensmittelrohstoffen mit den modernen Entwicklungen einer immer schonenderen und effizienteren Bearbeitung, die Lebenserwartung heutiger Menschen um ein Vielfaches erhöht hat.
Lebensmittelhaltbarmachung ist dabei einer der wesentlichen, wenn nicht sogar der wesentlichste Faktor. Zahlreiche Produkte werden dabei erst durch den Lebensmittelprozess sicher, indem pathogene Mikroorganismen zerstört werden. Ein ansprechender Geruch und Geschmack bilden sich zumeist erst durch das Erhitzen aus.
Grundsätzlich gilt nach dem Lebensmittelrecht, „Lebensmittel, die nicht sicher sind, dürfen nicht in Verkehr gebracht werden.“ Besonders diese rechtlichen Grundlagen werden weithin nicht richtig verstanden. Lebensmittel unterliegen der amtlichen Lebensmittelüberwachung und müssen somit den grundsätzlichen, gesetzlich festgelegten Regelungen entsprechen; mitunter scheint von Verbraucherinnen und Verbrauchern vermutet zu werden, dass jeder Hersteller machen kann, was er will.
Derzeit wird unter dem Schlagwort „Hochverarbeitete Lebensmittel“ (UPF, ultra-processed foods) ein vermeintlich besonders schädlicher Eingriff kontrovers diskutiert. Die Intensität der technischen Maßnahmen hat sich jedoch grundlegend nicht geändert. Ob ein Lebensmittel zu Hause leichter zuzubereiten ist (im allgemeinen Sprachgebrauch oft als Fertiglebensmittel oder Covenience-Produkte bezeichnet), weil es bei der Herstellung schon so weit zubereitet wurde und dadurch weniger Aufwand zur finalen Zubereitung vor dem Verzehr nötig wird, oder ob das Lebensmittel zu Hause komplett zubereitet werden muss, macht in Summe keinen Unterschied. Eher muss man vermuten, dass die Fachkenntnis und die Fokussierung auf bestimmte Produkte und Produktkategorien in der Lebensmittelwirtschaft zu einem Erfahrungsschatz führt und eine Expertise darstellt, die zu Hause nicht ohne Weiteres erlangt werden kann. Die Be- und Verarbeitungsprozesse werden stetig kontrolliert und optimiert.
Es scheint insgesamt als ob die Informationen über die Vorteile moderner Lebensmittelverarbeitung die Verbraucherinnen und Verbraucher nicht adäquat erreichen und die Ängste aus früheren Jahrzehnten vor nicht ausreichender Nährstoffzufuhr und Verlust von Nährstoffen durch Lebensmittelbe- und -verarbeitung weiterhin dominieren. Hier muss kontinuierlich noch besser erklärt und dargestellt werden.
In der aktuellen Situation um UPF trägt zur Verunsicherung der Verbraucherinnen und Verbraucher bei, dass derzeit verbreitete Klassifizierungssysteme den UPF starke gesundheitsschädliche Einflüsse zuschreiben. Hier ist jedoch festzustellen, dass eine Klassifizierung an sich bereits, aufgrund der schieren Vielzahl an Inhaltsstoffen und Produkten, zum Scheitern verurteilt ist und derzeit verwendete Klassifizierungen zu pauschalisiert einteilen und nicht den wahren lebensmitteltechnologischen Verarbeitungsgrad berücksichtigen. Es fehlen wissenschaftlich fundierte Daten zu Gehalten aller Nährstoffe, erhoben mit validen Lebensmittelanalysen- und -bewertungsmethoden.
Zusammenfassend muss empfohlen werden, den Begriff hochverarbeitet/ultra-processed nicht zu verwenden, derzeitige Lebensmittelklassifizierungssysteme kritisch zu hinterfragen und wissenschaftlich fundierte Methoden und Daten stärker zu fördern und zu berücksichtigen.