Internetveröffentlichung bei Hygienemängeln

Die Überwachungsbehörden in Deutschland müssen bestimmte Überwachungsergebnisse im Internet veröffentlichen. Mehr dazu hier.

Mann tippt etwas in ein Notebook

Casual business man hand, hipster, freelance browsing internet, typing on keyboard, busy working on laptop computer, online working concept, close up, backlit, dark tone

© tippapatt - stock.adobe.com
Bildunterschrift anzeigen

Aufgrund einer Neuregelung im Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) müssen die Überwachungsbehörden in Deutschland seit dem 1. September 2012 bestimmte Überwachungsergebnisse im Internet veröffentlichen.

Konkret handelt es sich um eine aktive Informationspflicht der Behörden in zwei Fällen:

  1. bei „Grenzwertüberschreitungen“
  2. bei nicht unerheblichen oder wiederholten Verstößen gegen Vorschriften zum Schutz vor Gesundheitsgefährdungen, Täuschung oder der Einhaltung von hygienischen Anforderungen. Hierbei handelt es sich um Fälle, in denen ein Bußgeld von mindestens 350 Euro zu erwarten ist.

Neu ist, dass diese Information der Öffentlichkeit unabhängig von einer Gefahrenabwehr als reine Transparenzmaßnahme noch vor dem Abschluss der laufenden behördlichen Verfahren erfolgt. Bis zum Inkrafttreten der Neuregelung duften die Namen von Unternehmen nur veröffentlicht werden, um vor gesundheitsgefährdenden oder zum Verzehr ungeeigneten Produkten zu warnen oder wenn dies in anderen Fällen nach sorgfältiger Abwägung der Interessen geboten war.

Kritik an der Veröffentlichungspflicht

Der Lebensmittelverband Deutschland (bis Juli 2019: Bund für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde, BLL) hat schon im Gesetzgebungsverfahren den Zeitpunkt der behördlichen Veröffentlichungen sowie die unklaren Veröffentlichungsvoraussetzungen kritisiert und auf den Grundsatz der Unschuldsvermutung hingewiesen. So wird die öffentliche Nennung von Produkt- oder Unternehmensnamen, insbesondere wenn sie durch eine Behörde mit ihrer staatlichen Autorität erfolgt, von Verbrauchern als „Warnung“ verstanden. Dies kann erhebliche wirtschaftliche Folgen für die betroffenen Unternehmen bis hin zur Existenzvernichtung haben, denn der Name des Unternehmens bleibt in der Datenbank bestehen, auch wenn Mängel beseitigt wurden.

Der Lebensmittelverband ist zudem der Auffassung, dass das geltende Recht den Überwachungsbehörden die notwendigen Instrumente bietet, um auf (Hygiene-)Verstöße im Bereich des Lebensmittelrechts in einzelfallgerechter und angemessener Form zu reagieren – von der Möglichkeit effektiver persönlicher Sanktionen durch Geldbußen oder Strafen bis hin zu einer Betriebsschließung. Eine Verbraucherinformation im Internet anstelle von ordnungsrechtlichen Maßnahmen ist grundsätzlich unzulässig, weil die Behörde zur wirksamen Gefahrenabwehr, d. h. zur Abstellung der festgestellten Mängel, verpflichtet ist: Es besteht eine Pflicht zum effektiven Schutz sämtlicher Verbraucher, nicht nur diejenigen, die ins Internet schauen. Verbraucherinformation im Internet neben der ordnungsrechtlichen Maßnahme ist im Hinblick auf Gefahrenabwehr in der Regel nicht notwendig sowie unangemessen und damit unverhältnismäßig, denn die Belastungswirkung durch Veröffentlichung wirkt wie bereits erwähnt auch nach Mängelbeseitigung und abgeschlossener Sanktionierung – ggf. sogar „lebenslang“ – fort.

In der Zwischenzeit steht die neue Veröffentlichungspflicht auch zunehmend von Gerichten und Ländern in der Kritik. In den vergangenen Monaten haben viele Gerichte erhebliche Bedenken gegen die Europarechts- und Verfassungsmäßigkeit der Regelung geltend gemacht. Um Rechtssicherheit für alle Wirtschaftsbeteiligten zu gewähren und eine Schlechterstellung einzelner Unternehmen zu verhindern, wurde der Vollzug in den Bundesländern deshalb vorläufig ausgesetzt. Das hat dazu geführt, dass viele gerade neu eingerichtete Internetportale auf der Ebene der Bundesländer wieder abgeschaltet worden sind. Ebenso haben der Bundesrat sowie die Verbraucherschutzministerkonferenz die Bundesregierung aufgefordert, die Unklarheiten der Regelung zu beseitigen.

Schließlich hat die niedersächsische Landesregierung im August 2013 einen Antrag auf abstrakte Normenkontrolle beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe eingereicht. Die Lebensmittelwirtschaft begrüßt die Entscheidung den Paragraph 40 Abs. 1a des LFGB vor dem Bundesverfassungsgericht überprüfen zu lassen und den Vollzug in den Bundesländern bis zu einer gerichtlichen Entscheidung auszusetzen als einen Beitrag zu mehr Rechtssicherheit.